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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


13. Mai 2023

Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit

»Die zehn Grundsätze der Kriegspropaganda« von Lord Arthur Ponsonby, verfasst nach dem ersten Weltkrieg; »Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit«.

  1. Wir wollen den Krieg nicht
  2. Das gegenerische Lager trägt die Verantwortung
  3. Der Führer des Gegners ist ein Teufel
  4. Wir kämpfen für eine gute Sache
  5. Der Gegener kämpft mit unerlaubten Waffen
  6. Der Gegner begeht mit Absicht Grausamkeiten, wir nur versehentlich
  7. Unsere Verluste sind gering, die des Gegners enorm
  8. Künstler und Intellektuelle unterstützen unsere Sache
  9. Unsere Mission ist »heilig«
  10. Wer unsere Berichterstattung in Zweifel zieht, ist ein Verräter

Als mein Mandant im Kriegsgebiet unter medialen Beschuss an der Heimatfront geriegt, sah er sich gezwungen, mit seinem Medienanwalt zu telefonieren – und damit den Nachrichtendiensten seine Position zu verraten. Ob die GPS-gesteuerte Granate, die kurz darauf in sein Hotel einschlug,

13. Februar 2023

Die Creative Commons-Foto-Abmahnungen des „Berliner“ Rechtsanwalts Robert Fechner für Arne Müseler, Alessio Andreani und Rui Ademar Ferreira Pires

In den letzten Jahren fällt der Kollege Robert Fechner durch fragwürdige Abmahnungen auf, bei denen er nahezu nichts auslässt.

Der Kollege vertritt etliche Fotografen, die ihre Werke häufig unter kostenfreie Lizenzen gestellt haben, und dann plötzlich abkassieren wollen, wenn jemand den Namen des Urhebers nicht nennt.

Zunächst soll darauf hingeweisen werden, dass Herr Robert Fechner nicht mit einem Berliner Urheberrechtsanwalt mit gleichem Nachnamen verwechselt werden sollte. Das ist doppelt ärgerlich, denn der Kollege Robert Fechner praktiziert offenbar gar nicht wirklich in Berlin. An der repräsentativen Kanzleiadresse „Friedrichstraße 95, 10117 Berlin“ findet man vielmehr eine Firma, die auf das Simulieren renommierter Geschäftsadressen spezialisiert ist. Seine tatsächliche Anschrift will der Kollege auch vor Gericht nicht offenbaren. Ausweislich seiner Bankverbindung und einer seiner Anwaltskammern ist er wohl in Frankfurt/Oder ansässig.

Bemerkenswert an den Abmahnungen des Kollegen ist, dass er die Grenzen des Zulässigen strapaziert, obwohl ich ihm diese wiederholt vor Gericht aufgezeigt habe. Für seine Abmahnkünste beansprucht der Kollege stets eine stolze 1,5-Gebühr, verlangt üppigen „Lizenzschaden“ für die kostenfrei lizenzierten Werke und ruft hohe Streitwerte für die eigentlich kostenlos nutzbaren Bilder auf. In den vorgeschlagenen Unterlassungsverpflichtungserklärungen verlangt er hohe Mindestvertragsstrafen und beansprucht eine Gerichtsstandsvereinbarung für Deutschland, obwohl seine Mandanten häufig im Ausland sitzen.

Der Kollege lässt nichts aus. So berechnet er für den angeblich von seinen ausländischen Mandanten verlangten Aufwendungsersatz Umsatzsteuer, obwohl solche ja gar nicht angefallen sein kann. Er schlägt zudem jedes Mal angebliche „Dokumentationskosten“ drauf, für die er allenfalls fadenscheinige Nachweise aufbietet. Im Laufe eines Rechtsstreits präsentierte er nach eher dürftigen Beweisangeboten nun die Firma RightsPilot UG, die mit reichlich Verspätung Rechnungen dafür ausstellt, dass sie die Abrufbarkeit eines Lichtbilds dokumentiert habe. Ob die Beauftragung und Dokumentation vor Klageerhebung geschah, ist unklar …

Die von Herrn Fechner vorgeschlagenen Unterlassungsverpflichtungserklärungen sollte man so besser nicht unterschreiben, denn diese sehen eine hohe Mindestvertragsstrafe vor. Und wenn man typische Fehler macht, etwa das Löschen der Bilddatei auf dem Server vergisst, dann bittet der Kollege Fechner üppig zur Kasse.

24. November 2022

Die Abmahnungen des Herrn Alexander Pamen, der kein Abmahnanwalt sein will

Herr Alexander Pamen fällt seit Jahren mit fragwürdigen Abmahnungen wegen Verstößen auf, die oft Datenschutz betreffen. Meistens handelt es sich um Lappalien, in allen hier bekannten Fällen war er auch stets sein eigener Mandant. So bestellte er etwa Dinge im Internet, wenn die vorgeschriebene Bestätigungsmail aber etwas enthielt, was man als Werbung qualifizieren konnte, mahnte Pamen im eigenen Auftrag ab.

Pamen gab sich als Rechtsanwalt zu erkennen, dessen Kanzleisitz in Frankfurt sei, obwohl er eine Privatadresse in Berlin hatte. Später verlegte er den Kanzleisitz nach Berlin, dann aber sah er sich in der Schweiz um, verlegte seinen Kanzleisitz nach Zug und behauptet eine „Zweigstelle“ in Konstanz.

Bei sämtlichen vier mir bekannten Kanzleiadressen handelt es sich um Dienstleister, die Post entgegen nehmen usw. An Pamens Kanzleiadressen kann man daher nicht einmal den Briefkasten pfänden.

Auch seine wechselnden Bankverbindungen, soweit sie mir bekannt sind, waren mal in Finnland, mal in Litauen, was die Zwangsvollstreckung erschwert.

Wann er seinen privaten Wohnsitz in Berlin aufgab, ist unklar, seinen Social-Media-Aktivitäten zufolge war er schon etwas länger in der Schweiz, wo er inzwischen offiziell gemeldet ist.

Der datenschutzbewusste Herr Pamen wehrte sich meist gegen unverlangte E-Mails, sandte mir jedoch trotz digitalem Hausverbot über 250 E-Mails, in denen er mir drohte, im CC meist große Redaktionen, Staatsanwaltschaften usw. Er tauchte hier im Sommer auch eines Tages in Köln unangemeldet auf, um mich zu belästigen. Verhandlungen in Berlin fanden unter Polizeischutz statt (es waren jeweils zwei gut eingepackte Wachtmeister anwesend). Außerdem schickte mir Pamen ein Foto seiner Badehose.

Inzwischen hat Herr Pamen aus mir unbekannten Gründen seine deutsche Zulassung als Rechtsanwalt endgültig verloren.

Die von Pamen verursachten Prozesskosten können vermutlich kaum mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand vollstreckt werden, weil Pamen in die Schweiz ausgewandert ist und zudem einen konspirativen Lebensstil pflegt.

Falls Sie bei Herrn Pamen Schulden irgendwelcher Art haben sollten, etwa weil er gerichtliche Titel erstritten hat, bitte ich um Nachricht. In dem Fall können Sie ggf. schuldbefreiend an meine Mandanten leisten. Ich könnte mir vorstellen, dass Sie denen Ihr Geld lieber geben werden als Herrn Pamen.

Herr Pamen hat mich neulich übrigens abgemahnt, weil ich ihn als Abmahnanwalt bezeichnet habe und preist die Schweizer Gerichte.

14. Oktober 2022

Türkei will Deutschland bei Medienzensur nachfolgen

Mit einiger Faszination nehme ich die Kritik deutscher Journalisten an einer Verschärfung des türkischen Mediengesetzes zur Kenntnis, mit dem sich der türkische Staat gegen angebliche Falschinformationen wehren will. Man befürchtet, Staatspräsident Erdogan könne das Internet zensieren.

Offenbar ist deutschen Journalisten unbekannt, dass ein solches Gesetz hier seit dem 8. November 2020 geltendes Recht ist. Nach §§ 109, 19 Medienstaatsvertrag können die – faktisch staatsnah und politisch besetzten – Landesmedienanstalten im Internet „journalistisch-redaktionell gestalteten Angebote“ (gemeint sind damit Blogger), denen sie „journalistische Sorgfalt“ absprechen, untersagen oder sperren.

Ein wesentlicher Unterschied besteht allerdings zugunsten konventioneller Medien oder solchen, die sich dem privaten Presserat e.V. angeschlossen haben. Die sind offenbar bereits ausreichend staatstragend …

Über das deutsche Gesetz hat meiner Wahrnemung nach nicht ein einziges journalistisches Medium berichtet. Zwar haben die Landesmedienanstalten von ihrer Macht bislang nahezu keinen Gebrauch gemacht, in Zeiten von Seuchen und Kriegen kann sich das aber schneller ändern, als Toni Hofreiter Militärexperte wurde.

Im April habe ich in der Zeitschrift für Mulitmediarecht einen Fachaufsatz zur bislang bekannten Behördenpraxis veröffentlicht. Mein Befund, dass es sich um ein verfassungswidriges Gesetzeswerk handelt, hat bislang keinerlei Widerspruch erfahren.

10. Oktober 2022

Zensurheberrecht bei Radio Bremen

Radio Bremen hatte eine hochnotpeinliche „Dokumentation“ ausgestrahlt, deren Steilvorlagen ein bekannter Medienkritiker schwerlich übersehen konnte. Bei seiner Doku über die Pseudodoku machte der Kritiker ausgiebig von Videozitaten gebrauch und stellte seine Kritik auch auf YouTube.

Während Radio Bremen es hinnahm, dass andere YouTuber die gesamte Sendung (!) auf YouTube hochluden, hatte Radio Bremen nichts Besseres zu tun, als den Kritiker wegen Urheberrechtsverletzung zu attackieren. Die selektive Auswahl nur dieses Kritikers verrät, dass es Radio Bremen gar nicht um Urheberrecht, sondern einzig um gezielte Gängelung und Unterdrückung von Kritik geht.

Die Tatsache, dass hier Urheberrecht nur vorgeschoben wurde, wird auch deshalb augenscheinlich, weil für Abmahnung und Prozess kein wirtschaftliches Interesse erkennbar ist, das geschützt werden müsste. Denn für das zitierte Material aus der Radio Bremen-Sendung (das die Gebührenzahler bezahlt haben) gibt es keinerlei Zweitmarkt, es eignet sich einzig für die Ausstrahlung in einem öffentlich-rechtlichen Sender und war inzwischen nicht mehr aktuell, da eine darin thematisierte Landtagswahl inzwischen Jahre zurückliegt. In einem ähnlichen Fall, den Afghanistan Papers, hatten daher Gerichte entschieden, dass mangels Verwertbarkeit Urheberrecht gar nicht anwendbar sei.

Die Abmahnung selbst war formwidrig, so dass Radio Bremen auf den Abmahnkosten sitzen blieb, die Abmahnabwehr sowie entsprechende Kosten am Amtsgericht Bremen zahlen musste. Dass es dem Sender um Schikane des Kritikers ging, folgt auch aus der Tatsache, dass mit der Abmahnung überhaupt eine externe Kanzlei beauftragt wurde, also völlig überflüssig Kosten produziert werden sollten. Denn ein Sender mit eigener Rechtsabteilung, der mit der Abfassung einer lizenzrechtlichen Abmahnung überfordert ist und dazu externen Sachverstand benötigt, sollte sein Personal austauschen.

Bzgl. der Unterlassung tendierte das Landgericht Berlin zeitweise zu unserer Rechtsauffassung, nach Änderung der personellen Besetzung der Kammer sah man aber keinen Rechtsmissbrauch mehr. Die Parteien stritten bei einzelnen Szenen noch um die Frage, ob der Umfang der Zitate vom Zitatzweck gedeckt sei. Hierzu gibt es bislang nur sehr wenig Rechtsprechung, die Gerichte urteilen sehr unterschiedlich. Landgericht und dann Kammergericht billigten dem Kritiker einige Szene zu, bei den meisten vermissten sie einen tragfähigen Grund.

Andere Gerichte hätten es vermutlich anders gesehen. Denn im Zeitalter und Medium der YouTuber und Reaction-Videos dürften andere Maßstäbe anzulegen sein als zu den Zeiten des linearen Fernsehens. Zudem müsste auch Radio Bremen eigentlich ein Interesse daran haben, dass das Material möglichst authentisch und damit im zutreffenden Zusammenhang gezeigt und zitiert wird.

Ein schaler Beigeschmack verbleibt schon deshalb, weil sich Radio Bremen überflüssige Prozesse dieser Art eigentlich gar nicht leisten können sollte, denn nahezu alles an Radio Bremen ist unterfinanziert bzw. Gebührenverschwendung. Bremen liegt im Sendegebiet des NDR, der Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein bespielt, so dass für Bremen ein Landesfunkhaus vollkommen ausreichend wäre. Stattdessen leistet man sich einen eigenen Sender, der ca. 300 hauseigene Mäuler plus das einer eigenen Intendantin stopft, sowie ca. 300 weitere der Tochtergesellschaft Bremedia. Bei ca. 680.000 Einwohnern lebt also knapp 0,1 % der Bevölkerung von Radio Bremen … Weil sich diese Gebührenverschwendung die Bremer nicht leisten könnten, wird die Sause von den anderen ARD-Anstalten quersubventioniert – obwohl gegenwärtig der Beitrag von Radio Bremen im ARD-Verbund nahezu unbedeutend ist.

Ein dünnhäutiger Sender, der nicht einmal derartige Kritik aushält, kann eigentlich weg.

13. Juli 2022

Leyla – LOL-LOL-LOL-Leyla!

Das Sommerloch-Thema 2022, an dem sich die Gemüter derzeit erregen, ist offenbar ein Song über eine gewissen Layla, die gar keine ist.

Eigentlich kann man es politisch kaum korrekter machen: Da wird ein (fiktiv so angelegter) cross-dressender Mensch mit dem Geltungsanspruch bzw. Fetisch einer Sexarbeiterin besungen. Diese Pointe, dass es sich um eine in einem männlichen Körper geborene Person handelt, wird im Video aber erst am Schluss kommuniziert. Das Werk erinnert ein wenig an die besungenen „Damen“ „Lola“ und „Leyla“:

Da also in dem Video praktisch nur Herren zu sehen sind, wird da zweifellos keine Frau herabgewürdigt. Ob die Darbietung Ansprüche an Musik und Esprit befriedigt, darf jeder selber entscheiden – so etwa die Konsumenten, die den Song derzeit an die Spitze der deutschen Single Charts platzierten.

Löst man den Song aus dem Kontext des Videos, wird jedoch für unbefangene Rezipienten die Ironie nicht mehr erkennbar. Diese müssen vielmehr annehmen, dass da mit »Ich hab ’nen Puff und meine Puffmama heißt Layla. Sie ist schöner, jünger, geiler« tatsächlich eine Prostituierte Leyla distanzlos in primitiver Weise ohne Gesellschaftskritik und korrektes Gendern besungen wird. Dies rief natürlich die Tugendwächter und – innen auf den Plan.

Aktuell hatte die Stadt Würzburg bei einem von ihr veranstalteten Volksfest die Beschicker auf einen Verzicht des Titels gedrängt. Anders, als man es in einigen Medien erscheinen lässt, hatte sie das nicht hoheitlich als Sittenpolizei getan, sondern als Veranstalterin, die vertragliche Regelungen mit ihren Marktbeschickern hat, die üblicherweise den Verzicht auf nicht jugendfreie Werke und andere Anstößigkeiten vorsehen. Ein gewisser aktueller Tit(t)el von Ramstein etwa wäre klar deplatziert.

Im Versuch einer journalistischen Einordnung bemüht der SPIEGEL als Sachverständigen einen Akademiker (Promotionen in Kirchengeschichte und Literaturwissenschaft):

»Natürlich ist das Lied sexistisch«, sagt hingegen Musikfachmann Michael Fischer von der Universität Freiburg. Dass die Protagonistin des Videoclips offensichtlich ein Mann in High Heels, schwarzem Minirock und mit blonder Perücke ist, ändere nichts am Charakter des Liedes. Dies sei jenseits von Ironie oder Transaspekten.

Doch. Ändert. Der Zielgruppe dürfte der ironische Charakter des Lieds nunmehr bekannt sein – und nunmehr auch dem Rest der Republik. Dank dir und deinen talibanen Freundinnen und Freunden, lieber Michael! Und ironisch meine ich daran nur „Freund“.

Wir haben in Deutschland mit staatlichen und religiösen Eingriffen und Bewertungen von Kunst und Kultur extrem schlechte Erfahrungen gemacht. Das letzte, was mich interessiert, ist die Meinung humorbefreiter, puritanischer Moralapostel und -innen.

Daher kann es zur Auffassung unseres in dieser Sache eigens bemühten Bundesjustizministers keine Alternative geben:

(Dies mit der Maßgabe, dass das konkrete Verbot wohl weniger behördlich als vertraglich war.)

7. Juli 2022

Anwaltsrecht: DSGVO, UWG und Persönlichkeitsrecht behindern nicht die freie Mandatsausübung

Die bei Einführung der DSGVO befürchtete Abmahnwelle blieb ein Mythos. Lediglich ein Kollege eifert dem seligen Abmahnanwalt Gravenreuth nach und verlangt seit Jahren in Selbstbeauftragung von etlichen Unternehmen wegen angeblicher DSGVO-Verstöße Unterlassungserklärungen, Abmahnhonorare und Vertragstrafen. Die Rechtsunsicherheit und die wirren Schriftsätze scheinen tatsächlich etliche Unternehmen zu Zahlungen zu bewegen.

Vor Gerichten kommt der abmahnfreudige Kollege damit offenbar aber nur selten durch, und auch in solchen Fällen werden die von ihm aufgerufenen Streitwerte auf einen Bruchteil eingedampft. Produktiv ist der Kollege jedoch insoweit, als dass seine Querulanz zur Klärung diverser Rechtsfragen führt.

Vor zwei Jahren fanden der Kollege und ich gemeinsam heraus, dass man ungehörige gegnerische Anwaltsschriftsätze trotz DSGVO bei der Anwaltskammer einreichen darf, OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 19.2.2020.

Neulich wandte sich der Kollege gegen die Mitteilung eines gegen ihn im Zwangsvollstreckungsverfahren erwirkten Haftbefehls in einem Schriftsatz an das Landgericht Berlin. Den Bericht wertete der Kollege als Verstoß gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, die DSGVO und das allgemeine Persönlichkeitsrecht und beantragte daher einstweiligen Rechtsschutz gegen mich und meine Mandanten. Das Landgericht Berlin ließ nun wissen, dass Anwälte beim Vortrag in Schriftsätzen wedere geschäftlichen Handlungen iSd UWG ausüben noch bei Vertretung ihrer Parteien Äußerungen tätigen, die ihnen selbst zuzurechnen sind. Auch die vom Kollegen gewähnten Verstöße vermochte das Gericht schon nicht zu erkennen.

Landgericht Berlin, Beschluss vom 30.06.2021 – 52 O 251/22.

Der Kollege wird, wie stets, Beschwerde einreichen. Das will ich auch schwer hoffen, denn dann verdiene ich eine weitere 2,2-Gebühr …

21. April 2022

OLG München: Name des Wikipedia-Serienrufmörders Feliks durfte genannt werden

Der meinungsfreudige Wikipedia-Autor mit dem Pseudonym „Feliks“ durfte deanonymisiert werden. Nach dreieineinhalb Jahren ging auch dieser Rechtsstreit (hoffentlich) nun zu Ende. Wie bereits die Hamburg Gerichte im Verfügungsverfahren und das Landgericht München im Hauptsacheverfahren, hat nun auch das OLG München ein hinreichendes Interesse der Öffentlichkeit an Identität und Person des Wikipedia-Autors bestätigt, und die Berufung von Feliks verworfen.

Im Beschluss findet der Senat für Feliks, vertreten von Herrn Rechtsanwalt Dr. Achim Dörfer, deutliche Worte:

„Die Ausführungen des Beklagten im Schriftsatz vom 11.03.2022, die in weiten Teilen juristische Fachkenntnisse, insbesondere auf dem Gebiet des Äußerungsrechts, vermissen lassen, geben keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung.“

„Inhaltlich falsch – und im Ton vollkommen unangemessen – ist der Vorwurf, die in vorliegender Sache tätigen Gerichte würden sich „als Experten zur Beurteilung der richtigen Berichterstattung über die Person von Prof. Dr. R. V. ‚aufspielen‘ . In der Sache bestätigt der Beklagte mit seinen Ausführungen, dass er sich bei der selektiven Wiedergabe des Lebenslaufs von Prof. Dr. V. nicht um Objektivität bemüht hat, sondern dass es ihm vor allem darauf ankam, dessen „Außenseiterposition“ herauszustellen.“

„Der Beklagte erhebt den Anspruch, es sei Sache des einzelnen Wikipedia-Autors, zu entscheiden, in welchem Umfang er frühere Aktivitäten der beschriebenen Person darstelle. In diesem Zusammenhang verkennt er grundlegend, dass der Leser von einem biographischen Beitrag erwartet, über den Werdegang der beschriebenen Person im Wesentlichen vollständig und objektiv informiert zu werden, um sich ein eigenes Urteil bilden zu können. Gerade Brüche im Lebenslauf oder die Abwendung von früher vertretenen Ansichten sind für den kritischen Leser dabei von besonderem Interesse. Die einseitige Auswahl der über Prof. Dr. V. berichteten Tatsachen lässt dagegen das Bestreben des Beklagten erkennen, alles zu verschweigen, was zu dem von ihm gezeichneten Bild eines „Außenseiters“ nicht passt. Anstatt sich mit den von ihm kritisierten Positionen inhaltlich auseinanderzusetzen, was auch im Rahmen einer Kurzbiographie zulässig ist und dem Leser wertvolle Orientierungshilfen geben kann, verschweigt der Beklagte wesentliche Aspekte des Lebenslaufs von Prof. Dr. V., um dem Leser die gewünschte negative Beurteilung von dessen Person aufzudrängen.“

„Wie das Oberlandesgericht Hamburg in seinem zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits ergangenen Urteil vom 03.03.2020 (Az: 7 U 63/19, AfP 2020, 229) – in anderem Zusammenhang – zutreffend ausgeführt hat, kommt dem Medium „Wikipedia“ sowohl eine erhebliche Breitenwirkung als auch – aufgrund der ständigen Bearbeitung der Beiträge durch die Nutzer selbst – der „Nimbus besonderer Objektivität“ zu. Die Frage, wer die Einträge erstellt und bearbeitet, kann daher insbesondere dann von öffentlichem Interesse sein, wenn es um Beiträge zu zeitgeschichtlichen oder politischen Themen geht und der konkrete Bearbeiter einer bestimmten politischen oder religiösen Richtung zuzuordnen ist (OLG Hamburg a.a.O., Rn. 40).
Entgegen der Ansicht des Beklagten erschöpft sich das Interesse der Öffentlichkeit an der Identität des Wikipedia-Autors „Feliks“ nicht darin, den Beklagten verklagen, über ihn weiteres Material herausfinden oder mit ihm in Kontakt treten zu können. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen hat der Beklagte jedenfalls bei der Bearbeitung der Einträge über Prof. Dr. V, N. S., K. M. und E.D. diejenige Objektivität der Darstellung vermissen lassen, welche der verständige und unvoreingenommene Leser von einer Kurzbiographie auf „Wikipedia“ erwarten darf. In den vorgenannten Fällen hat der Beklagte sich ersichtlich davon leiten lassen, dass er die von den Betroffenen vertretenen Personen zum Nahostkonflikt ablehnt. Eine Unterrichtung darüber, welcher politischen und religiösen Richtung der Beklagte zuzuordnen ist, liefert dem Leser deshalb wesentliche Hintergrundinformationen, die ihm das Verständnis der vom Beklagten verfassten oder bearbeiteten Wikipedia-Einträge erleichtern.“

OLG München, Beschluss vom 12.04.2022 – 18 U 2509/21 Pre. Nichtzulassungsbeschwerde möglich.

(Hinweis zum Video: Die darin enthaltene Rechtsmeinung, Wikimedia könne man nur in den USA mit einem US-Anwalt verklagen, ist unzutreffend. Man kann die in den USA ansässige Wikimedia-Foundation problemlos in Deutschland verklagen.)

25. Februar 2022

Die Wikipedia-Abmahnungen des Wikimedia-Fotografen Diego Delso durch Mag. Kurt Kulac

Zu den Wikipedia-Abmahn-Mandanten des Österreicher Kollegen Herrn Magister Kurt Kulac gehört auch der Fotograf Diego Delso. Auch für Delso versilbert Herr Rechtsanwalt Kulac seit Jahren die „kostenlosen“ Creative Commons-Lizenzen durch Forderungen von angeblichem Lizenzschaden, nebst Abmahnkosten für seine stets mit gleichlautenden Schreiben.

Herr Kulac nutzt hierfür nicht nur die ungeklärte Rechtslage in Österreich aus, sondern erschwert die Rechtsverteidigung auch durch Verschweigen der Anschriften seiner häufig im europäischen Ausland ansässigen Mandanten.

Solchen in Österreich unfassbar teuren Prozessen können Abgemahnte in Deutschland mit sog. Torpedoklagen zuvorkommen, die dann den Gerichtsort in Deutschland binden. Hierzulande machen die Gerichte das Abzock-Modell nicht mehr mit. Auch Herrn Delso habe ich gerichtlich seine Grenzen aufzeigen lassen. Leider allerdings hat es der an einem unbekannten Ort lebende Spanier nicht mit der Erstattung von Anwaltskosten eilig.

Kulac war langjähriger Obmann von Wikimedia Österreich gewesen, und vertritt kaum zufällig Wikipedia-Freunde. Auch Herr Delso ist in der Szene kein Unbekannter:

Meet Diego Delso, the amateur photographer who has taken the most featured pictures on Wikimedia Commons. Out of 15,084 images Delso has taken and uploaded, the Wikimedia community has rated 306 as ‚featured‘ and 8,696 as ‚quality.‘

Bei angeblichen Amateuren ist schwer nachvollziehbar, wie sie sich so viele Abmahnungen leisten können und damit die Uneinbringlichkeit eigener Anwaltskosten riskieren. Einer der Kulac-Mandanten hatte sich vor Jahren mal verplappert und eingeräumt, dass er Herrn Kulac eine Art Kaperbrief ausgestellt hat. Herr Kulac mahnte für ihn auf eigenes Risiko ab und zahlte faktisch also eine Provision an seinen Mandanten.

Wikimedia Deutschland und Österreich scheint dieses anrüchige Geschäftsmodell nicht zu jucken. Dass die Idee von Creative Commons, Wikimedia und Wikipedia in Verruf kommen, nimmt man offenbar lächelnd inkauf.

In einem ORF-Beitrag über Herrn Kulac, der auch selbst für Wikimdia fotografiert, heißt es:

Kurt Kulac betreibt einen unglaublichen Aufwand, wenn man bedenkt, dass die Arbeit an Wikipedia unbezahlt und freiwillig passiert: „Ich bekomme dafür nichts bezahlt und opfere dafür einen großen Teil meiner Freizeit, aber auch meines Geldes“, sagt Kulac.

Mir kommen die Tränen.

18. Februar 2022

Bundesgerichtshof erteilt Lizenzabzocke bei Fotos unter kostenloser Creative Commons-Lizenz eine Absage

Speicherstadt abends von der Poggenmühlenbrücke von Thomas Wolf, www.foto-tw.de, CC BY-SA 3.0, gefunden bei Commons.wikimedia

2018 hatte ich am OLG Köln das inzwischen als „Speicherstadt“ bekannte Urteil herbeigeführt, demzufolge der „Lizenzschaden“ für rechtswidrig genutzte Lichtbilder, die unter einer kostenfreien Creative Commons-Lizenz verbreitet werden, grundsätzlich 0,- € beträgt. Fotografen müssen demnach beweisen, dass sie in einem solchen Fall tatsächlich einen Vermögensausfall gehabt hätten. Solches ist nach meiner Kenntnis keinem einzigen dieser „Profifotografen“ wie den Herren Thomas Wolf, Dirk Vorderstraße, Wladislaw Sojka, Christoph Scholz, Ralf Roltschek und Marco Verch gelungen, denn sie waren mit diesen Fotos im regulären Absatz nicht bzw. nicht nennenswert ins Geschäft gekommen.

Der Fotograf war dann damals (in einem Parallelfall) in Revision gegangen, hatte diese allerdings in letzter Minute zurückgezogen, wohl um die Rechtsunsicherheit zu erhalten und damit sein nach wie vor verfolgtes Geschäftsmodell zu schützen.

Nun konnte der Bundesgerichtshof sich doch noch zu dieser Rechtsfrage äußern, wenn auch nur indirekt in einem obiter dictum:

Die Marken-Inhaberin von „ÖKO-TEST“ hatte den Hersteller einer Zahncreme verklagt, dessen Lizenz zur Werbung mit Wort-Bild-Marke Werbung weggefallen war. Die Hersteller der von ihr getesteten Produkte dürfen das „ÖKO-TEST“-Zeichen nutzen, wenn diese mit ihr einen unentgeltlichen Lizenzvertrag abschließen, der die Nutzungsbedingungen regelt.

Zwar muss der Hersteller nun unterlassen und vielleicht konkret erlangte Vermögensvorteile herausgeben, einer Berechnung nach sogenannter Lizenzanalogie erteilte der BGH jedoch eine Absage:

Der Markeninhaber kann seinen durch eine Markenverletzung entstandenen Schaden nicht nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnen, wenn er in ständiger Lizenzierungspraxis ausschließlich unentgeltliche Lizenzen an der verletzten Marke erteilt.

(…) Die Schadensberechnung anhand einer fiktiven Lizenz ist zulässig, wenn die Überlassung eines Ausschließlichkeitsrechts der in Rede stehenden Art zur entgeltlichen Benutzung durch Dritte rechtlich möglich und verkehrsüblich ist. Entscheidend ist, dass der Verletzte die Nutzung üblicherweise nicht ohne Gegenleistung gestattet hätte (BGH, GRUR 1995, 349, 351 [juris Rn. 25 und 28] – Objektive Schadensberechnung; BGH, Urteil vom 23. Juni 2005 – I ZR 263/02, GRUR 2006, 143, 145 [juris Rn. 22] = WRP 2006, 117 – Catwalk; BGH, GRUR 2010, 239 Rn. 23 – BTK).

Der Schadensermittlung nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie liegt die Überlegung zugrunde, dass derjenige, der durch die unerlaubte Nutzung des Ausschließlichkeitsrechts eines anderen einen geldwerten Vermögensvorteil erlangt hat, nicht besser dastehen soll, als wenn er dieses Recht erlaubtermaßen benutzt hätte (BGH, GRUR 1990, 1008, 1009 [juris Rn. 16] – Lizenzanalogie; BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 7/14, GRUR 2016, 184 Rn. 42 = WRP 2016, 66 – Tauschbörse II). Da der Verletzer in einem solchen Fall die Gestattung des Rechtsinhabers hätte einholen müssen, die dieser üblicherweise nur gegen Zahlung einer Lizenzgebühr erteilt hätte, ist der Verletzer so zu behandeln, als sei durch seinen rechtswidrigen Eingriff dem Rechtsinhaber diese angemessene Lizenzgebühr entgangen (BGH, Urteil vom 24. Juni 1993 – I ZR 148/91, GRUR 1993, 899, 901 [juris Rn. 17] – Dia-Duplikate). Insoweit ist mit Blick auf die normative Zielrichtung der Schadensberechnungsmethode eine abstrakte Betrachtungsweise geboten. Es ist deshalb unerheblich, ob es bei korrektem Verhalten des Verletzers im konkreten Fall tatsächlich zum Abschluss eines Lizenzvertrags gekommen wäre (BGH, GRUR 2006, 143, 145 [juris Rn. 22] – Catwalk; GRUR 2010, 239 Rn. 36 und 49 – BTK; BGH, Urteil vom 10. Juni 2010 – I ZR 45/09, juris Rn. 18; BGH, ZUM 2013, 406 Rn. 30).

Für die Bemessung der als Schadensersatz zu zahlenden angemessenen Lizenzgebühr müssen hingegen die gesamten relevanten Umstände des Einzelfalls in Betracht gezogen und umfassend gewürdigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 2. Oktober 2008 – I ZR 6/06, GRUR 2009, 407 Rn. 25 = WRP 2009, 319 – Whistling for a train; BGH, ZUM 2013, 406 Rn. 30; BGH, Urteil vom 13. September 2018 – I ZR 187/17, GRUR 2019, 292 Rn. 18 = WRP 2019, 209 – Sportwagenfoto). Bei der Bestimmung des fiktiven Lizenzentgelts sind alle Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die auch bei freien Lizenzverhandlungen Einfluss auf die Höhe der Vergütung gehabt hätten (BGH, GRUR 2006, 143, 146 [juris Rn. 28] – Catwalk; GRUR 2010, 239 Rn. 49 – BTK). Maßgebliche Bedeutung kommt dabei einer zur Zeit der Verletzungshandlung am Markt durchgesetzten eigenen Lizenzierungspraxis des Rechtsinhabers zu (BGH, GRUR 2019, 292 Rn. 19 – Sportwagenfoto; GRUR 2020, 990 Rn. 15 – Nachlizenzierung). Insofern kommt es nicht darauf an, ob die vom Rechtsinhaber geforderten Lizenzgebühren allgemein üblich und objektiv angemessen sind. Soweit der Rechtsinhaber die von ihm vorgesehenen Lizenzgebühren verlangt und auch erhält, rechtfertigt dieser Umstand die Feststellung, dass vernünftige Vertragsparteien bei Einräumung einer vertraglichen Lizenz eine entsprechende Vergütung vereinbart hätten (BGH, Urteil vom 26. März 2009 – I ZR 44/06, GRUR 2009, 660 Rn. 32 = WRP 2009, 847 – Resellervertrag; BGH, GRUR 2020, 990 Rn. 15 – Nachlizenzierung).

(2) Nach diesen Grundsätzen kann der Schaden, der der Klägerin durch die streitgegenständliche Nutzung des „ÖKO-TEST“-Zeichens seitens der Beklagten entstanden ist, nicht anhand einer fiktiven Lizenzgebühr bemessen werden.

Entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichts weist die Berechtigung zur Benutzung der Klagemarke 1 allerdings einen objektiven Vermögenswert auf, der einer Berechnung anhand einer Lizenzgebühr grundsätzlich zugänglich ist. Dass bei einer Marke die Erteilung von entgeltlichen Lizenzen rechtlich möglich (vgl. Art. 22 Abs. 1 GMV, Art. 25 Abs. 1 UMV, § 30 Abs. 1 MarkenG) und verkehrsüblich ist, zieht die Revisionserwiderung nicht in Zweifel. Ihr Einwand, die Klägerin habe nicht dargetan, dass eine entgeltliche Lizenz für die Verwendung von Testsiegeln wie dem „ÖKO-TEST“-Zeichen verkehrsüblich sei, ist rechtlich ohne Belang. Für die Beurteilung der Verkehrsüblichkeit einer Lizenzierung kommt es bei der insoweit gebotenen abstrakten Betrachtung nicht auf die Üblichkeit der Zeichenlizenzierung in der konkret in Rede stehenden Branche an, sondern darauf, ob bei einem Ausschließlichkeitsrecht dieser Art – vorliegend einer Marke – ganz allgemein die Erteilung von Lizenzen im Verkehr üblich ist (BGH, Urteil vom 16. Februar 1973 – I ZR 74/71, BGHZ 60, 206, 211 [juris Rn. 14] – Miss Petite; BGH, GRUR 2006, 143, 145 [juris Rn. 23] – Catwalk; GRUR 2010, 239 Rn. 49 – BTK). Dass die Klägerin davon abgesehen hat, sich den wirtschaftlichen Wert der Klagemarke 1 durch die Erteilung entgeltlicher Lizenzen tatsächlich zunutze zu machen, ist für die Annahme eines objektiven Werts der der Marke innewohnenden Nutzungsberechtigung ohne Bedeutung.

Mit Blick auf die Lizenzierungspraxis der Klägerin kann jedoch nicht angenommen werden, dass sie sich diesen Wert im Wege einer von der Beklagten zu zahlenden Lizenzgebühr zunutze gemacht hätte (für die Praxis unentgeltlicher Lizenzen vgl. auch OLG Köln, GRUR 2015, 167, 173 [juris Rn. 98]; WRP 2018, 873 Rn. 19 und 21 [juris Rn. 33 und 35]; OLG Hamm, GRUR-RR 2017, 421 Rn. 65 [juris Rn. 168]). Sofern die Klägerin den Herstellern der getesteten Produkte die Benutzung des „ÖKO-TEST“-Zeichens zur Bewerbung der Waren gestattet, geschieht dies stets unentgeltlich; so ist sie auch gegenüber der Beklagten verfahren. Daran muss sich die Klägerin festhalten lassen.

Die vom Rechtsinhaber geforderten und auf dem Markt durchgesetzten Lizenzsätze für die in Rede stehende Benutzungshandlung sind für die Bemessung der als Schadensersatz zu zahlenden Lizenzgebühr maßgeblich, auch wenn sie über dem Durchschnitt vergleichbarer Vergütungen liegen (BGH, GRUR 2009, 660 Rn. 32 – Resellervertrag; GRUR 2020, 990 Rn. 15 – Nachlizenzierung). Nichts Anderes kann gelten, wenn der Rechtsinhaber durchweg eine unter der angemessenen und üblichen Lizenzgebühr liegende Vergütung verlangt oder – wie vorliegend die Klägerin – die Nutzung seines Ausschließlichkeitsrechts ausnahmslos unentgeltlich gestattet.

In solchen Fällen kann nicht davon ausgegangen werden, dass vernünftige Vertragsparteien ein von der Lizenzierungspraxis des Rechtsinhabers abweichendes Entgelt vereinbart hätten, wenn der Verletzer die Erlaubnis des Rechtsinhabers zur Nutzung seines Ausschließlichkeitsrechts eingeholt hätte. Bei der Berechnung des Schadens im Wege der Lizenzanalogie soll der Verletzer nicht schlechter, aber auch nicht besser als ein vertraglicher Lizenznehmer gestellt werden (BGHZ 119, 20, 27 [juris Rn. 32] – Tchibo/Rolex II). Es würde der Funktion des Schadensersatzrechts, den durch eine Rechtsverletzung erlittenen Vermögensnachteil auszugleichen, und dem schadensrechtlichen Bereicherungsverbot (vgl. dazu BGH, Urteil vom 4. April 2014 – V ZR 275/12, NJW 2015, 468 Rn. 20 [insoweit nicht in BGHZ 200, 350 abgedruckt]) zuwiderlaufen, wenn dem Rechtsinhaber im Wege des Schadensersatzes eine Lizenzgebühr zugebilligt würde, die er bei einer erlaubten Nutzung seines Ausschließlichkeitsrechts niemals erzielt hätte (vgl. OLG Köln, WRP 2018, 873 Rn. 25 f. [juris Rn. 40 f.]; vgl. auch BGH, GRUR 1995, 349, 352 [juris Rn. 35] – Objektive Schadensberechnung). Ansonsten würde der Ersatzanspruch in die Nähe eines dem deutschen Recht fremden Strafschadensersatzes gerückt (vgl. dazu BT-Drucks. 16/5048, S. 37 und 62; BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145 Rn. 62 – ORWI; BGHZ 225, 316 Rn. 67; BGH, GRUR 2020, 990 Rn. 26 – Nachlizenzierung).

Der Umstand, dass die Klägerin die Nutzung des „ÖKO-TEST“-Zeichens zur Bewerbung der getesteten Produkte nur unter bestimmten – im Streitfall von der Beklagten nicht eingehaltenen – Nutzungsbedingungen unentgeltlich gestattet, gibt zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass (vgl. OLG Köln, WRP 2018, 873 Rn. 19 [juris Rn. 33]; aA OLG Frankfurt, ZUM-RD 2020, 443, 445 [juris Rn. 41]; LG München I, ZUM 2015, 827, 831 [juris Rn. 79]; Schaefer, MMR 2015, 470; Koreng, K&R 2015, 99, 102; BeckOK.Markenrecht/Goldmann, 27. Edition [Stand 1. Oktober 2021], § 14 MarkenG Rn. 725.1a). Die fehlende Beachtung von lizenzvertraglichen Vorgaben zur Nutzung eines Ausschließlichkeitsrechts kann bei der Bemessung einer zu zahlenden fiktiven Lizenzgebühr – etwa mit Blick auf einen dadurch eintretenden Marktverwirrungsschaden – Berücksichtigung finden (vgl. BGHZ 119, 20, 27 [juris Rn. 31] – Tchibo/Rolex II; BGH, GRUR 2010, 239 Rn. 29 – BTK; BGH, Urteil vom 22. September 2021 – I ZR 20/21, juris Rn. 30 – Layher) oder dazu führen, dass der Verletzer einen daraus resultierenden konkreten Schaden des Rechtsinhabers auszugleichen hat (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 1966 – Ib ZR 5/64, BGHZ 44, 372, 382 [juris Rn. 26] – Meßmer-Tee; BGH, GRUR 1973, 375, 378 – Miss Petite [insoweit nicht in BGHZ 60, 206 abgedruckt]; GRUR 2010, 239 Rn. 29 – BTK). Sie rechtfertigt aber nicht die Annahme, dass ein Rechtsinhaber, der sein Ausschließlichkeitsrecht – wie die Klägerin das „ÖKO-TEST“-Zeichen – stets unentgeltlich lizenziert, für die betreffende Benutzungshandlung abweichend von seiner Lizenzierungspraxis eine Vergütung verlangt hätte.“

In einer zustimmenden Urteilsbesprechung weist Prof. Raue außerdem darauf hin, dass nach dem EuGH eine abstrakte Schadensberechnung gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aus Art. 3 II RL 2004/48/EG verstößt, wenn ein pauschalierter Schadensersatz „den tatsächlich erlittenen Schaden in Ausnahmefällen (…) eindeutig und beträchtlich überschreitet“ (EuGH GRUR 2017, 264 Rn. 31 – OTK/SFP; Raue ZUM 2017, 353 (354)).

Obwohl die Herren Thomas Wolf, Dirk Vorderstraße, Wladislaw Sojka, Christoph Scholz, Ralf Roltschek und Marco Verch ständig vor Gerichten scheitern, habe ich nach wie vor Lizenzforderungen für kostenlose Creative Commons-Fotos auf dem Tisch.

OLG Köln, Urteil vom 23.03.2018 – 6 U 131/17 – Speicherstadt

BGH, Urteil vom 16.12.2021 – I ZR 201/20 – ÖKO TEST III