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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


31. Januar 2022

OLG München: Wikipedia-Serienrufmörder „Feliks“ durfte mit Klarnamen genannt werden

Unter seinem Pseudonym „Feliks“ missbrauchte ein in der Linkspartei vor einem Jahrzehnt gescheiterter Politiker die Wikipedia, um dort die Biographien von über 200 Personen seinem extremen Narrativ entsprechend zu manipulieren.

Hierzu legte er seinen Medienopfern u.a. erfundene Äußerungen in den Mund und erweckte den Eindruck politisch fragwürdiger Positionen, die notwendig zu politischer Ächtung und sozialer Ausgrenzung führten. Bücher der von ihm diskreditierten Autoren hatte Feliks nicht einmal gelesen. In einem anderen Rechtsstreit räumte er sogar seinen Vorsatz sein, Leser von der Beschäftigung mit der von ihm geächteten Person abzuhalten, da dieser kein anderer als ein schlechter Ruf zustehe.

Etliche Journalisten und Politiker gingen Feliks auf den Leim und beteiligten sich an Hexenjagden. Selbst Rechtsanwälte verweigerten einem von Feliks‘ Medienopfern ihr Ohr, obwohl unvoreingenommener Kontakt gerade mit schwierigen und gestrauchelten Menschen deren professionelle Aufgabe gewesen wäre.

Die eigene Medizin, nämlich das Licht der Öffentlichkeit, schmeckte Felix offenbar nicht, und er entdeckte vor dreieinhalb Jahren plötzlich das allgemeine Persönlicheitsrecht.

Bereits das Landgericht München, das Landgericht Hamburg und das Oberlandesgericht Hamburg hatten entschieden, dass man den politisch extrem einseitigen, selektiven und fälschenden Wikipedia-Autor Feliks beim Klarnamen nennen darf. Dem hat sich jetzt auch das Oberlandesgericht München in einem ausführlich begründeten Hinweisbeschluss angeschlossen:

„Ein gesteigertes Informationsinteresse der Öffentlichkeit an derjenigen Person, die sich hinter dem Pseudonym „Feliks“ verbirgt, ist jedenfalls deshalb anzuerkennen, weil der Beklagte nach den Feststellungen des Landgerichts bei der von ihm vorgenommenen Bearbeitung der vier Beiträge diejenige Objektivität der Darstellung hat vermissen lassen, die der verständige und unvoreingenommene Leser von einer Kurzbiographie auf „Wikipedia“ erwartet und auch erwarten darf. In allen vier Fällen hat sich der Beklagte dabei ersichtlich davon leiten lassen, dass er die von den Betroffenen vertretenen Positionen zum Nahostkonflikt ablehnt. Er hat sich mit diesen Positionen aber nicht in der Sache kritisch auseinandergesetzt, sondern den Betroffenen pauschal – und zum Teil auf recht dürftiger Tatsachengrundlage – den Stempel des „Antizionismus“ aufgedrückt.“

Die Strafverfolgungsbehörden sahen übrigens keinen Anlass, um gegen die üble Nachrede und Verleumdung einzuschreiten. Damit bleibt Medienopfern nur der Zivilrechtsweg.

27. November 2021

Fake News der Medienwächter – Ist die ZAK wirklich auf zack?

Vor einem Jahr trat der Medienstaatsvertrag inkraft, der in §§ 19, 109 MStV den Landesmedienanstalten und damit dem Staat erstmals seit 1945 das Recht verleiht, unerwünschte Nachrichten politisch zu verbieten:

Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, in denen insbesondere vollständig oder teilweise Inhalte periodischer Druckerzeugnisse in Text oder Bild wiedergegeben werden, haben den anerkannten journalistischen Grundsätzen zu entsprechen.

Die eigentliche Entscheidung, was genau nicht den anerkannten journalistischen Grundsätzen entsprechen soll, treffen aber nicht etwa die einzelnen Landesmedienanstalten, sondern die aus deren 16 Direktorinnen und Direktoren gebildete Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK).

Bislang hat die ZAK bundesweit genau einem einzigen Blogger eine Unterlassung aufgegeben und Verwaltungskosten diesbezüglich aufgebrummt, weil dieser einen Sachverhalt so zugespitzt hatte, dass er einen falschen Eindruck erweckt haben soll. Daher hätte er gegen die Sorgfaltspflichten der Presse verstoßen. Das ist schon deshalb aberwitzig, weil die konventionelle Presse das ständig tut, aber Pressefreiheit genießt.

Der Gängelung durch die ZAK können sich etwa Online-Medien nur entziehen, wenn sie sich dem privaten Lobby-Verein Deutscher Presserat unterwerfen und an diesen Jahresgebühren bezahlen. Die Ausübung von Grundrechten wie Meinungs- und Pressefreiheit kostet also inzwischen Geld.

Allerdings ist der Presserat wählerisch bei der Akzeptanz seiner Vertragspartner und würde derzeit Blogger nicht ohne weiteres akzeptieren. (Diese Praxis ist nicht zuletzt deshalb fragwürdig, weil ohne Akzeptanz des Presserats im Online-Bereich keine Sonderrechte für Journalisten iSd DSGVO gelten.) Der hier betroffene Blogger hätte auch an einer Zusammenarbeit mit dem Presserat kein Interesse, da er mit dessen Kompetenz zu Fake News schlechte Erfahrungen gemacht hat.

Der von § 19 MStV benutzte Begriff „journalistischer Sorgfaltspflichten“ stammt eigentlich aus dem Zivilrecht und spielt bei Verdachtsberichterstattung eine Rolle, die nur dann zulässig ist, wenn sauber recherchiert und nicht einseitig dargestellt wird. Gegen eine unzulässige Verdachtsberichterstattung können sich Betroffene ggf. zur Wehr setzen, zivilrechtlich und ggf. sogar strafrechtlich. Aber das war bislang Sache der Betroffenen, nicht des Staates.

Nun machen die Länder Anstalten, selbst darüber zu befinden, was wahr ist und geschrieben werden darf. Dabei verweisen Sie auf den streitbaren Pressekodex des Privatvereins Deutscher Presserat und definieren auf der ZAK-Homepage die anerkannten journalistischen Sorgfaltspflichten wie folgt:

Die ZAK vertritt also allen Ernstes die Rechtsauffassung, dem Presserat angeschlossene Medienhäuser und andere dürften „nicht einseitig berichten“.

Derartiger Unsinn steht nicht einmal im Pressekodex. Ein solches Postulat wäre auch mit der von Grundgesetz und Europäischen Menschenrechtskonvention garantierten Presse- und Meinungsfreiheit fundamental unvereinbar, die nun einmal den Medien und Meinenden eben genau die Freiheit garantiert, einen Sachverhalt so zu sehen und zu berichten, wie sie ihn sehen oder es ins erwünschte Narrativ passt. Würde man von Redaktionen verlangen, dass sie ausgewogen berichten und falsche Eindrücke vermieden, wäre der Kiosk ab morgen leer.

Wenn aber die Häuptlinge der Landesmedienanstalten, die anderen Fake News verbieten wollen, hier selbst Fake News in die Welt setzen, stellt sich die klassische Frage: Wer bewacht die Wächter?

28. Oktober 2021

USA vs. Julian Paul Assange

Da die Berichterstattung über Julian Assange erfahrungsgemäß unzuverlässig und politisch gefärbt ist, bin ich zum Berufungsverfahren der USA gegen die Ablehnung des Auslieferungsgesuchs persönlich nach London gefahren, um mir ein eigens Bild zu machen.

Dem Angeklagten, den die USA für sein restliches Leben wegsperren oder dieses beenden wollen, wurde die Teilnahme am Prozess offenbar gegen seinen Willen verwehrt. Auf einem Video, das uns kurz gezeigt wurde, konnte man ihn im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh sehen.

Den Prozessbeobachtern wird überwiegend auch nur ein Stream etwa im Nebenraum gewährt. Die Qualität unterschreitet den Standard, den deutsche Gerichte bei Online-Verhandlungen einhalten. So sieht man nur zwei Kameras aus der Totalen von hinten, und kann allenfalls erahnen, wer gerade spricht.

Das Absurde ist, dass Assange jahrelang von Schweden eine Online-Befragung zu den damaligen Vorwürfen verwehrt wurde. Video sei zur Vernehmung nicht gut genug. (Tatsächlich wird derartiges bei grenzüberschreitenden Vernehmungen offenbar schon lange gemacht.)

Das Auslieferungsbegehren der USA war einzig aus humanitären Gründen abgelehnt worden, das Suizidgefahr zu befürchten sei. Bei der gestrigen Verhandlung wurde darüber gefeilscht, wie suizidgefährdet und psychisch krank Assange wirklich sei. So könne er nach Meinung des US-Vertreters nicht autistisch sein, da er ja Beziehungen eingegangen sei und Kinder gezeugt habe. Wer autistische Freunde hat, kommt vermutlich zu anderen Ergebnissen.

Hier ist mein Bericht vom ersten Tag. Die Anhörung wird nunmehr fortgesetzt.

24. Oktober 2021

Berufung USA vs. Julian Assange

Kommende Woche wird in London die Berufung der USA gegen Julian Assange verhandelt.

Die schwache und zum Teil erstaunlich tendenziöse Berichterstattung hat auch in der deutschen Öffentlichkeit massive Vorurteile geschürt. Ausgerechnet die BILD-Zeitung, deren eigene Chefetage sich wegen hauseigenen Sex-Skandalen zu lichten pflegt, berichtete ausgiebig über die inzwischen obsoleten Vorwürfe angeblicher Sexualdelikte.

Ähnlich pikant ist die unterberichtete Tatsache, dass ausgerechnet der Hauptbelastungszeuge des FBI, Sigurdur Thordarson, ein tatsächlich überführter Sexualstraftäter ist, der eine Vielzahl an Kindern missbrauchte und im Austausch für Straffreiheit Lügen gegen Assange fabrizierte.

Für die deutschen Medien, die einst von WikiLeaks profitierten, ist der infame Prozess gegen Assange eher ein Randthema. Auch die inzwischen vom Ex-CIA-Chef mehr oder weniger eingeräumten Pläne, Assange aus der Londoner Botschaft zu entführen, lösten hierzulande keinen sonderlich großen Aufschrei aus.

Ungleich nobler scheint für die Qualitätsmedien der Rechtsextremist Nawalny zu sein, dessen Inszenierung das gewünschte Feindbild bedient. Auch vier Jahre Trump haben der transatlantischen Ausrichtung der angeblich so unabhängigen deutschen Presse nicht geschadet.

Es bedurfte erst der Expertise des UN-Experten für Folter Prof. Dr. Nils Melzer, um der schreibenden Zunft aufzuzeigen, dass der Prozess und die Haftumstände eher nicht dem Standard entsprechen, den man in einer Zivilgesellschaft erwarten möchte.

Praktisch der einzige qualifizierte deutsche Beobachter vor Ort ist der Büroleiter des Satirikers Martin Sonneborn.

3. Mai 2021

Medienaufsicht droht unerwünschten Bloggern mit Sperrverfügung

Während sich heute am Tag der Pressefreiheit konventionelle Medienmacher im jährlichen Ritual gegenseitig auf die Schulter klopfen, hält sich die Laune einiger Blogger und YouTuber in Grenzen. Seit einigen Wochen bekommen sie blaue Briefe von Landesmedienanstalten, die politisch unerwünschte Inhalte beanstanden und Fristen zur Änderung setzen.

Die ursprünglich für den privaten Rundfunk aufgebauten Landesmedienanstalten sind nämlich mit Inkrafttreten des Medienstaatsvertrags vom 07.11.2020 zur Qualitätsaufsicht über Anbieter auch quasi-journalistischer Internetinhalte zuständig, sofern diese in Deutschland ansässig sind und sich nicht dem von der Verlegerlobby organisierten Deutschen Presserat angeschlossen haben. Wer nach dem äußeren Erscheinungsbild ein journalistisch-redaktionell gestaltetes Telemedium betreibt, fällt unter § 19 MStV – gleichgültig, ob kommerziell oder nicht.

Solche Anbieter sollen angeblichen journalistischen Mindeststandards unterworfen sein. Nach Meinung der Landesmedienanstalten müssen daher u.a. die folgenden Grundsätze beachtet werden:

– Inhalte dürfen nicht billigend aus dem Zusammenhang gerissen werden.

– Werden nicht unerhebliche Teile von Fremdinhalten aus einer Drittquelle übernommen, so ist die Quelle zu benennen. Gleiches gilt für Zitatsammlungen.

– Anonyme Quellen sind als solche zu kennzeichnen.

– Zitate müssen unverfälscht aus Drittquellen übernommen werden.

– Die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung sind einzuhalten.

– Bei Meinungsumfragen ist anzugeben, ob sie repräsentativ sind.

Ob solche Sonntagsreden von der konventionellen Presse beherzigt werden, sei hier einmal dahingestellt (Das „Twitter-Mädchen“ im Syrienkrieg).

Die Landesmedienanstalten belassen es allerdings nicht bei diesen rührenden Appellen, sondern beanstanden ganz konkrete Texte der Blogger, deren journalistischen Gehalt sie anzweifeln. So verlangen Landesmedienanstalten in mehreren Fällen von Bloggern die Angabe von Quellen für unerwünschte Beiträge. Auch das restliche Angebot sollen die Betreiber auf Einhaltung journalistischer Standards überprüfen. Für den Fall, dass die Anbieter nicht innerhalb der gesetzten Frist wunschgemäß reagieren, drohen die Landesmedienanstalten u.a. mit Sperrverfügungen.

Das ist neu in der deutschen Medienlandschaft. Seit Inkrafttreten des Grundgesetzes am 23.05.1949 galt Artikel 5 Abs. 1 GG:

„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“

Daraus leiteten Verfassungsjuristen das Prinzip ab, dass sich der Staat aus Angelegenheiten der Presse möglichst herauszuhalten hat. Abgesehen von Fragen des Jugendschutzes oder strafrechtlich verbotener Volksverhetzung usw. hatte der Staat gegenüber Medienhäusern inhaltlich nichts zu melden. Anders als bei den meisten Berufen gibt es für Printjournalismus keine Aufsichtsbehörde wie etwa eine berufsständische Kammer usw. Wer sich auf den Schlips getreten fühlt, kann privat die Gerichte bemühen, nicht aber der Staat.

Ein weiteres Prinzip war die Sicherung von Meinungsvielfalt durch ein möglichst breites Spektrum an Meinungsführern und Angeboten. Dem wurde insbesondere bei der Organisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Rechnung getragen, der keinen staatlichen Weisungen untergeordnet ist und von bunt gemischten Rundfunkräten indirekt kontrolliert wird.

Im Adenauer-Deutschland verhinderten klüngelnde Verleger den Erlass eines angedachten Ehrenschutzgesetzes, indem sie 1956 den Deutschen Presserat gründeten, der Missständen branchenintern auf dem Parkett eines privaten Lobbyvereins mit Gentlemen’s Agreements entgegenwirken soll.

Als man dann Ende der 1980er Jahre den privaten Rundfunk zuließ, baute man nach dem Vorbild der angeblich staatsfernen Rundfunkräte die Landesmedienanstalten auf, um die Medienlandschaft auf mögliche politische Einseitigkeit und Meinungsmonopole zu überprüfen.

Die junge Generation unserer Tage allerdings kauft keine gedruckten Zeitungen mehr und sieht auch kaum noch lineares Fernsehen. Dass Influencer Einfluss auf das Wahlverhalten ausüben, bewies 2019 eindrucksvoll das Rezo-Video (Die Rezo-zialisierung der CDU).

Im Super-Wahljahr 2021 sowie im Streit über die Deutungshoheit über COVID-19-Themen rasseln die Landesmedienanstalten nun mit den Ketten, an die sie die Blogger legen wollen. Das Wahlvolk soll sich gefälligst an den konventionellen Medien orientieren – die den Klimawandel vier Jahrzehnte krass unterberichteten, weder den Brexit noch eine Trump-Regierung für realistisch hielten und Kriegsverbrechern Kränze flechten (Auf den Hund gekommen).

Wie sich § 19 MStV mit dem Zensurverbot aus Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG in Einklang bringen lassen soll, sowie mit dem Verbot willkürlicher Ungleichbehandlung aus Art. 3 GG, wird eine spannende Frage. Insbesondere also haben diese öffentlich-rechtlichen Organisationen nicht nur die Macht, einzelne Beiträge nachträglich zu beschneiden, sondern sie können per § 109 MStV die gesamten Websites und Kanäle sperren. Befremdlich ist das Verlangen nach Quellenangaben, denn konventionelle Journalisten beanspruchen Quellenschutz und dürfen sogar vor Gericht das Zeugnis verweigern.

Die Medienaufseher jedoch fordern in ihren Schreiben sogar das Einhalten von journalistischen Sorgfaltspflichten ein, insbesondere die Prüfung der Aussagen mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Inhalt, Herkunft und Wahrheit. Das Einhalten journalistischer Sorgfaltspflichten müssen konventionelle Medien allerdings nur nachweisen, wenn ein konkret Betroffener sie wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung durch unwahre Verdachtsberichtserstattung verklagt. Nunmehr also maßen sich die Landesmedienanstalten die Rolle einer allzuständigen Spanischen Inquisition wegen aller möglichen Themen an und legen an Privatleute Maßstäbe an, denen häufig selbst professionelle Journalisten nicht genügen.

Medienjuristen haben erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit von § 19 MStV mit Europa- und Verfassungsrecht. Mit der Aufforderung zur Angabe von Quellen für offenbar unerwünschte Information begeben sich die Landesmedienanstalten in das Zeitalter vor dem Reichspreßgesetz von 1874, das die Presse vor der Polizei schützte. Stattdessen maßen sich die Medienaufseher die Rolle eines Orwellschen Wahrheitsministerium an.

Ob ausgerechnet die Landesmedienanstalten als Politkommissare fachlich taugen oder wenigstens Kompetenz für rechtsstaatliche Verfahren erwarten lassen, darf man mit Blick auf deren Personal herzlich bezweifeln. Nur einige der Landesmediendirektoren verfügen über die Befähigung zum Richteramt, durchweg allerdings beweisen sie ideologisches und machtpolitisches Talent. In Rheinland-Pfalz konnte sich ein strafrechtlich aufgefallener Politiker mit drittklassig überstandenem Doktortitelaberkennungsverfahren ins Amt klüngeln (Der Fall Marc Jan Euman). Der Landesmediendirektor von NRW fiel mit einem spannenden Verhältnis zur Meinungsfreiheit auf (Rezo-Fallout: „Wir brauchen Regeln gegen Desinformation“). Etliche Landesmediendirektoren sind Ex-Politiker und daher nicht wirklich unabhängig.

Wer sich dem Zugriff der forschen Medienaufseher entziehen möchte, muss entweder seinen Sitz ins Ausland verlegen oder sich, wie es § 19 MStV als Ausweg vorsieht, dem Pressekodex des Deutschen Presserats unterwerfen. Wer eine solche Selbstverpflichtungserklärung abgibt und vom Presserat akzeptiert wird, kann sich mit einem nach Reichweite gestaffelten „Jahresentgelt“ zwischen 100,- € und 100.000,- € aus der Zuständigkeit der Landesmedienanstalten freikaufen.

Zu einem solchen Ablaßhandel wäre Bloggern dringend zu raten, denn anders als die Landesmedienanstalten verfügt der Presserat nicht über scharfe Waffen, sondern kann bei Verstößen gegen den Pressekodex gerade einmal Flüche ausstoßen wie „Beanstandungen“ und „Rügen“. Im noblen Presserat sitzen außerdem nur Gesandte von Verlagshäusern und Journalistenvereinigungen, die sich einander nur selten ein Auge aushacken. Der Deutsche Presserat ist ein schlechter Witz und spielt im realen Medienrecht keine messbare Rolle.

Dennoch ist es ein fragwürdiger Eingriff in die Medienfreiheit, wenn der Staat Blogger quasi zum Coteau gegenüber dem Presserat nötigt und ihnen eine indirekte Abgabe auferlegt. Mit der Unterwerfung unter den Pressekodex ist übrigens keine Vereinsmitgliedschaft im Presserat mit irgendwelchen Mitspracherechten verbunden. Mitglied im Presserat sind nur große Verlagshäuser und gesalbte Journalisten. Und die verwalten dann demnächst ein Monopol – also genau das, was mit Konzept der Medienvielfalt vermieden werden sollte.

Theoretisch sieht § 19 MStV auch die Möglichkeit vor, sich alternativen „freiwilligen“ Selbstkontrollorganisationen anzuschließen, wenn es solche eines Tages geben sollte. Die allerdings müssten von den Landesmedienanstalten anerkannt werden – die damit ihre seltsamen Auffassungen von Anfang an induziert. Spannend wäre es ja schon, wenn sich der Papiertiger „Deutscher Presserat“ einer Konkurrenz stellen müsste, die das Thema Qualitätsjournalismus zur Abwechslung mal ernst nähme. Wenn sich alternative Presseräte formieren, besteht allerdings das Risiko, als Medium zweiter Klasse eingestuft zu werden, oder gar einer Stigmatisierung durch Assoziation mit „Schmuddelkindern“.

Ob die Medienregulierung des § 19 MStV wirklich überzeugend ist, darf man unterschiedlich bewerten. Langfristig wird sich das Bundesverfassungsgericht mit diesen Konstrukten beschäftigen. Die ersten Blogger und YouTuber stehen bereits in den Startlöchern nach Karlsruhe. Für das Superwahljahr 2021 jedoch wird § 19 MStV voraussichtlich halten.

1. April 2021

Landgericht München: Wikipedia-Manipulator Feliks darf namentlich genannt werden

Der Wikipedianer Feliks manipuliert seit über eine Jahrzehnt Wikipedia-Biographien über Personen, die nicht seine politisch-religiöse Auffassung zum Nahost-Konflikt teilen. So lässt er nach wie vor eine Vielzahl an Personen als vermeintliche Antisemiten erscheinen, darunter ausgerechnet Jüdinnen und Juden. Die Admins scheint das nicht zu stören. Auf Wikipedia bleibt also ganzjährig 1. April.

2018 wurde Feliks von Mandanten enttarnt. Feliks erschlich sich hiergegen zunächst eine einstweilige Verfügung, jedoch konnten wir Landgericht und Oberlandesgericht Hamburg davon überzeugen, dass an seiner Identität ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit besteht. Wer Heckenschütze spielt, muss mit dem Echo leben. Diese Rechtsprechung hat letzte Woche nun das Landgericht München bestätigt (Landgericht München, Urteil vom 26.03.2021 – 25 O 15729/18, nicht rechtskräftig).

Ein anderer Mandant, ein israelisch-isländischer Komponist, verklagte Feliks erfolgreich vor dem Landgericht Koblenz auf Schadensersatz von insgesamt über 10.000,- € wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen (Landgericht Koblenz, Urteil vom 14.01.2021 – 9 O 80/20). Die von Feliks hiergegen öffentlich eingelegte Berufung erwies sich als Rohrkrepierer. So griff sein neuer Anwalt hauptsächlich präkludierten Vortrag aus der ersten Instanz an und bekannte freimütig, meinem Mandanten stehe nur ein schlechter Ruf zu. Meine künftigen Klagen gegen Feliks kann ich dann wohl mit § 826 BGB begründen.

Sein neuer Anwalt ließ mich auch wissen, die meisten von Felik’s Editierungen seien ohnehin verjährt. Tatsächlich jedoch beginnt der Lauf der Verjährung aber erst ab Kenntnisnahme, sodass jeder Geschädigte alle seit 2010 entstandenen Ansprüche noch bis zum 31.12.2021 geltend machen kann.

25. Juni 2020

Zulässiges Ausmaß eines urheberrechtlichen Zitats eines YouTube-Films

Wer sich mit urheberrechtlich geschützten Werken anderer auseinandersetzt, ist berechtigt, diese im Rahmen seiner Kritik wiederzugeben, sogenanntes urheberrechtliches Zitat. Die entsprechende Vorschrift § 51 Urheberrechtsgesetz lässt allerdings offen, in welchem Ausmaß dies zulässig ist. Auch die juristische Fachliteratur ist unergiebig, da es in diesem Bereich nur sehr wenig Urteile gibt. Sicher ist nur, dass ein Zitat kein Selbstzweck sein darf und der Zitierende sich auch tatsächlich mit dem angeführten Werk inhaltlich auseinandersetzen muss. Eine witzige Anmoderation wäre nicht ausreichend, ebenso wenig ist es erlaubt, fremdes Material nur zur Illustration zu nutzen.

Ein junger Influencer machte vorliegend urheberrechtliche Unterlassungsansprüche geltend, sein Anwalt beschwerte sich über einen angeblichen Zitierexzess, der nicht mehr vom Zitatrecht gedeckt sei. Vor allem störte er sich an Länge der wiedergebebenen Videos, die seiner Meinung nach nicht mehr vom Zitatzweck gedeckt sei.

Im Genre der YouTube-Videos muss meines Erachtens ein großzügiger Maßstab angewandt werden, weil es weder für die Erstmitteilung noch für das Zitat die für konventionelle Medien üblichen Zeitbeschränkungen gibt. Hierfür spricht auch das Bestreben, die Originaläußerung so authentisch wie möglich wiederzugeben.

Das sah das Landgericht Köln auch so und wies darauf hin, dass die geistige Auseinandersetzung sich nicht unmittelbar an einen Gedankengang anschließen müsse. Auch die Nutzung von fremdem Bildmaterial als Hintergrundbild sah das Landgericht Köln als gerechtfertigt an, wenn es insgesamt um eine Auseinandersetzung mit dem fremden Werk geht.

Vorliegend war neben dem angeblichen Zitatexzess noch gerügt worden, dass der Mandant formale Voraussetzungen wie die präzisen Angaben zur Urherberschaft nach § 63 Urheberrechtsgesetz nicht in vollem Ausmaß erfüllt hatte. Da der Querulant nicht zuvor abgemahnt hatte, haben wir diesbezüglich sofortiges Anerkenntnis erklärt, mit der Folge, dass er die gesamten Kosten tragen muss.

Landgericht Köln, Beschluss vom 15.05.2020 – 14 O 144/20 (nicht bestandskräftig).

1. Mai 2020

Bundeswehr- Urheberrechts-Kompanie ist ehrenvoll im Feld gefallen

Der Bundesgerichtshof kassiert das Verbot der Afghanistan-Leaks

Nach einem über sieben Jahre währenden Stellungskrieg hat ein Zeitungsverlag den Angriff der Urheberrechtskompanie zurückgeschlagen. Die Bundeswehr hatte sich dagegen gewehrt, dass für die Unterrichtung des Parlaments verfasste Berichte über den Afghanistan-Einsatz, die an einen Zeitungsverlag geleakt worden waren, im internet geleakt wurden. Da Geheimhaltungsvorschriften nicht greifen konnten und das Material ohnehin inzwischen bei Wikileaks lag, versuchte es die Truppe mit dem eigentlich nicht für die Kriegskunst, sondern für die schönen Künste geschaffenen Urheberrecht.

Was bisher geschah:

Die Künstler-Kompanie – Bundeswehr kämpft ab sofort mit Wunderwaffe Urheberrecht, 27.07.2013

Landgericht Köln: Künstler-Kompanie gewinnt erstes Gefecht – Bundeswehrberichte sollen Kunstwerke sein, 01.11.2014

OLG Köln: Bundeswehr verteidigt Urteil – Künstler-Kompanie gewinnt Berufung im Urheberrechtsstreit, 24.07.2015

Generalanwalt widerspricht Generälen: Urheberrecht ist nicht zur Zensur gedacht

Der Bundesgerichtshof hat nunmehr den Leak nach dem Ausflug an die europäische Front wieder zugunsten der Pressefreiheit erlaubt. Es könne offenbleiben, ob die für die für die Unterrichtung des Parlaments geschaffenen Berichte urheberrechtlich als Schriftwerke geschützt sind. Der Verlag hat durch die Veröffentlichung der diese jedenfalls ein daran bestehendes Urheberrecht nicht widerrechtlich verletzt. Zu seinen Gunsten greift vielmehr die Schutzschranke der Berichterstattung über Tagesereignisse (§ 50 UrhG) ein.

Eine Berichterstattung im Sinne dieser Bestimmung liegt vor. Das OLG Köln hatte bei seiner abweichenden Annahme, es habe keine journalistische Auseinandersetzung mit den einzelnen Inhalten der jeweiligen Bundeswehr-Berichten stattgefunden, nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Verlag diese nicht nur auf ihrer Website veröffentlicht, sondern sie auch mit einem Einleitungstext, weiterführenden Links und einer Einladung zur interaktiven Partizipation versehen und in systematisierter Form präsentiert hat.

Die Berichterstattung hat auch ein Tagesereignis zum Gegenstand. Sie betrifft die Frage, ob die jahrelange und andauernde öffentliche Darstellung des auch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Texte auf der Internetseite der Beklagten noch stattfindenden und damit aktuellen, im Auftrag des deutschen Bundestages erfolgenden Einsatzes der deutschen Soldaten in Afghanistan als Friedensmission zutrifft oder ob in diesem Einsatz entgegen der öffentlichen Darstellung eine Beteiligung an einem Krieg zu sehen ist.

Die Berichterstattung hat zudem nicht den durch den Zweck gebotenen Umfang überschritten. Nach der Bestimmung des Art. 5 Abs. 3 Buchst. c Fall 2 der Richtlinie 2001/29/EG, deren Umsetzung § 50 UrhG dient und die bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung zu beachten ist, darf die fragliche Nutzung des Werks nur erfolgen, wenn die Berichterstattung über Tagesereignisse verhältnismäßig ist, das heißt mit Blick auf den Zweck der Schutzschranke, der Achtung der Grundfreiheiten des Rechts auf Meinungsfreiheit und auf Pressefreiheit, den Anforderungen der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) entspricht.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommt es für die Frage, ob bei der Auslegung und Anwendung unionsrechtlich bestimmten innerstaatlichen Rechts die Grundrechte des Grundgesetzes oder die Grundrechte der Charta der Grundrechte der Europäischen Union maßgeblich sind, grundsätzlich darauf an, ob dieses Recht unionsrechtlich vollständig vereinheitlicht ist (dann sind in aller Regel nicht die Grundrechte des Grundgesetzes, sondern allein die Unionsgrundrechte maßgeblich) oder ob dieses Recht unionsrechtlich nicht vollständig determiniert ist (dann gilt primär der Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes). Im letztgenannten Fall greift die Vermutung, dass das Schutzniveau der Charta der Grundrechte der Europäischen Union durch die Anwendung der Grundrechte des Grundgesetzes mitgewährleistet ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 – 1 BvR 16/13, GRUR 2020, 74 Rn. 71 – Recht auf Vergessen I). Da nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union Art. 5 Abs. 3 Buchst. c Fall 2 der Richtlinie 2001/29/EG dahin auszulegen ist, dass er keine Maßnahme zur vollständigen Harmonisierung der Reichweite der in ihm aufgeführten Ausnahmen oder Beschränkungen darstellt, ist die Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der Anwendung des § 50 UrhG danach anhand des Maßstabs der Grundrechte des deutschen Grundgesetzes vorzunehmen.

Im Blick auf die Interessen der Bundeswehr ist zu berücksichtigen, dass die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten ausschließlichen Verwertungsrechte zur Vervielfältigung und zur öffentlichen Zugänglichmachung der Bubdeswehr-Berichte allenfalls unwesentlich betroffen sind, weil diese nicht wirtschaftlich verwertbar sind. Das vom Urheberpersönlichkeitsrecht geschützte Interesse an einer Geheimhaltung des Inhalts des Werks erlangt im Rahmen der im Streitfall vorzunehmenden Grundrechtsabwägung kein entscheidendes Gewicht. Das Urheberpersönlichkeitsrecht schützt nicht das Interesse an der Geheimhaltung von Umständen, deren Offenlegung Nachteile für die staatlichen Interessen der Bundeswehr haben könnte. Dieses Interesse ist durch andere Vorschriften etwa das Sicherheitsüberprüfungsgesetz, § 3 Nr. 1 Buchst. b IFG oder die strafrechtlichen Bestimmungen gegen Landesverrat und die Gefährdung der äußeren Sicherheit gemäß § 93 ff. StGB – geschützt. Das Urheberpersönlichkeitsrecht schützt allein das urheberrechtsspezifische Interesse des Urhebers, darüber zu bestimmen, ob er mit der erstmaligen Veröffentlichung seines Werkes den Schritt von der Privatsphäre in die Öffentlichkeit tut und sich und sein Werk damit der öffentlichen Kenntnisnahme und Kritik aussetzt. Dieses Geheimhaltungsinteresse kann nach den Umständen des Streitfalls das durch die Meinungs- und Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG geschützte Veröffentlichungsinteresse nicht überwiegen. Dem Interesse an einer Veröffentlichung der hier in Rede stehenden Informationen kommt im Blick auf die politische Auseinandersetzung über die Beteiligung deutscher Soldaten an einem Auslandseinsatz und das damit berührte besonders erhebliche allgemeine Interesse an der öffentlichen und parlamentarischen Kontrolle von staatlichen Entscheidungen in diesem Bereich größeres Gewicht zu.

BGH, Urteil vom 30. April 2020 – I ZR 139/15 – Afghanistan Papiere II

6. April 2020

10 Jahre Collateral Murder

„Das wird ganz groß!“ hatte mir mein Kontaktmann bei WikiLeaks vor zehn Jahren gemeldet. Er hatte recht behalten. Über Nacht verwandelte sich das eher Nerds und Aktivisten bekannte Projekt WikiLeaks durch Collateral Murder zum Internationalen Begriff für zivilen Ungehorsam im Netz. Bemerkenswert an diesem Game Changer war die Tatsache, dass das Video vorher konventionellen Medien zugespielt worden war, diese sich jedoch in patriotischer Selbstzensur übten. Und dass, obwohl ein Reuters-Fotograf seinen Beruf mit dem Leben bezahlen musste.

Zehn Jahre später haben sich die Hoffnungen, dass die Welt sich vom Feuer der Wahrheit und Erkenntnis erleuchten lassen würde, nicht wirklich erfüllt. Die Mörder aus dem Hubschrauber laufen frei herum, die Whistleblowerin wurde erst nach zwei Suizidversuchen aus dem Folterknast entlassen, und die Medienmeute beteiligt sich noch immer treudoof an der Diskreditierung von Julian Assange.

Nach wie vor haben insbesondere die US-Amerikaner zu ihrem Militär ein ungetrübt positives Verhältnis; wer sich für die Friedensbewegung engagiert, hat auch in Deutschland gute Chancen, in eine Spinnerecke geschrieben zu werden. Die Alt-68er staunen nicht schlecht, was ihre Kinder und Enkel im Blätterwald so fabrizieren. Auch ein noch so seltsamer US-Präsident ist für führende deutsche Journalisten kein Anlass, die Nibelungentreue zu Washington und NATO infrage zu stellen.

Man lässt US-Präsidenten ihre Drohnenbombardements durchgehen und hofiert sie sogar beim evangelischen Kirchentag. Stattdessen jedoch kritisiert man Russland für Hilfslieferungen mit Hygieneartikeln nach Italien und sogar die USA, das sei ja nur Propaganda. Ich bin gespannt, wie künftige Generationen über unser Zeit urteilen werden.

Nach wie vor machen bei uns Comedians einen deutlich besseren Job als so mancher Journalist.

5. März 2020

OLG Hamburg zu Feliks aus der Wikipedia

Ein Wikipedia-Autor namens „Feliks“, dem die sonst so argwöhnischen Admins auffällig freie Hand bei der Diskreditierung von Politikern, Aktivisten und Publizisten lassen, wenn diese nicht seine politisch-religiöse Auffassung etwa zum Nahost-Konflikt teilen, war vorletzten Herbst enttarnt worden. Feliks bemühte in neureicher Manier eine renommierte Hamburger Anwaltskanzlei, die unter Heranziehung etlicher branchüblicher Tricks den Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung beantragte, um das YouTube-Video über Feliks zu attackieren.

Nunmehr hat das OLG Hamburg geurteilt, dass der Antrag jedenfalls erstinstanzlich gänzlich unbegründet war. Feliks muss also erstinstanzlich die gesamten Kosten tragen, was bei einem ursprünglichen Streitwert von 216.000,- € gegen ursprünglich drei Gegner schon ein teurer Spaß ist.

Von den in der Berufungsinstanz noch verhandelten Einzelanträgen mit Streitwert 108.000,- € nahm Feliks auf dringendes Anraten des Gerichts alles bis auf einen Antrag zurück. Bei diesem Antrag hatte er in der zweiten Instanz neue „Glaubhaftmachung“ angeboten, die dem Gericht insoweit ausreichte. Für die zweite Instanz muss Feliks 80% der Kosten tragen.

Wie bereits im Blog besprochen, ist die Deanonymisierung von Wikipedanten dem OLG Hamburg zufolge bereits dann zulässig, wenn diese zu meinungsbildenden Themen wie Politik oder Gechichte schreiben.

Ebenfalls ist es zulässig, konspiratives Verhalten von Feliks mit dem von Geheimdienstlern zu vergleichen, ohne hierdurch einen zwingenden Eindruck einer Mitgliedschaft in einem Geheimdienst zu erzeugen. Die Mandanten müssen also nicht mehr den Beweis für die aberwitzig untergeschobene Behauptung erbringen, Feliks sei ein Geheimagent.

Untersagt wurde nunmehr eine Äußerung über Berichte über ein Foto, das den Mandanten übereinstimmend von mehreren Personen beschrieben wurde. Aufgrund der Beweislastumkehr in § 186 StGB trägt bei Tatsachenbehauptungen die Beweislast der Äußernde. Zwar konnten die Mandanten eine schlüssige eidesstattliche Versicherung eines gut beleumundeten Zeugen vorlegen, die erstinstanzlich zum Erfolg führte. In der zweiten Instanz nun legte Feliks eine eigene eidesstattliche Versicherung in eigener Sache vor, in welcher er die Existenz des Fotos bestritt.

Nach Rechtsmeinung des OLG Hamburg sollen die Mandanten, die sich in einem YouTube-Video äußerten, für die Meldung haften, ihnen hätten Dritte die Existenz eines Foto bestätigt, das Feliks in einer für ihn angeblich ansehensmindernden Situation zeige. Eine eigene Behauptung hatten die Mandanten schon nicht aufgestellt. Beantragt war auch nicht etwa das Verbot eines unwahren Eindrucks, sondern der Bericht über Aussagen Dritter soll zur Haftung führen. Dieses Haftungskonzept erinnert auffällig an die vom BGH aufgehobene Markwort-Entscheidung der Hamburger Richter, die eine Zeitung für den Abdruck eines Interviews mit Roger Willemsen haften ließen, in welchem diesem ein Irrtum unterlief.

Wenn man diese drakonische Verbreiter-Haftung auf die Wikipedanten anwendet, haften die übrigens auch für jede falsche oder nicht beweisbare Aussage, welche sie aus fremden Quellen übernehmen. Ob sich ausgerechnet unser Feliks da wirklich einen Gefallen tut, solche Urteile zu produzieren?

Als Beleg für seine Rechtsmeinung zur Verbreiterhaftung zitierte der Senat eine Rechtsmeinung in einem juristischen Buch, dessen Autor insoweit allerdings der beteiligte Richter des OLG-Senats persönlich ist. Ich wage mal die Prognose, dass diese in Karlsruhe nicht geteilt wird. -> Hamburg hört in Karlsruhe auf

Allerdings wird es voraussichtlich nicht so weit kommen, denn während im Verfügungsverfahren so seltsame Beweismittel erlaubt sind wie eidesstattliche Versicherungen einer Prozesspartei in eigener Sache (Interessenkonflikt?), und diese dann in Hamburg auch nicht gewichtet werden, können im Hauptsacheverfahren Zeugen gehört werden, und da bieten wir mehrere.

Prozessrechtlich ist das Urteil auch interessant. So soll das Landgericht nicht verpflichtet gewesen sein, hinsichtlich der von Anfang an abgewiesenen Anträge die Mandanten einzubeziehen. Dies ist vor allem deshalb ungewöhnlich, weil die Mandaten vor Antragstellung eine umfangreich begründete Schutzschrift hinterlegt hatten und sich die Abmahnung praktisch im Antragstenor erschöpfte.

Spannend ist auch, dass ein Antragsteller, der eine Erstveröffentlichung erwartet, sich sechs Wochen mit seinem Antrag Zeit lassen darf und eine Abmahung mit kurzer Frist übers Wochenende akzeptiert wird. Nach wie vor also laden die Hamburger Gerichte jeden Querulanten zur Gängelung von Journalisten und Bloggern durch absurde einstweilige Verfügungen ein.

OLG Hamburg, Urteil vom 03.03.2020 – 7 U 63/19