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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


30. Januar 2017

Parteienrecht: Wann ist das Ausschöpfen des Parteienrechtswegs unzumutbar?

Als Mitglieder der AfD Schleswig-Holstein letztes Jahr anfragten, ob ich sie in einem parteienrechtlichen Verfahren vertreten würde, glaubte ich erst an einen Irrtum, da ich normalerweise Mandanten aus dem anderen Teil des politischen Sprektrums vertrete. Tatsächlich aber suchte der Gründer des Landesverbands einen mit solchen Verfahren erfahrenen Rechtsanwalt, bei dem keine innerparteilichen Interessenkonflikte zu erwarten waren. Denn mit der Parteigerichtsbarkeit der AfD hatte er Erstaunliches erlebt.

In der AfD Schleswig-Holstein rumorte es schon länger. AfD-Mitglieder aus dem Landesverband Hamburg, die dort bei der Bürgerschaftswahl nichts geworden waren, entdeckten plötzlich, dass sie eigentlich Schleswig-Holsteiner seien – wo man demnächst wohl Landagsmandate zu verteilen hat. Der von der einstigen „Professorenpartei“ stetig weiter nach rechts gerückte Bundesvorstand übte (ähnlich wie übrigens in NRW) in fragwürdiger Weise Einfluss aus. Und so passierte es, dass ausgerechnet Mitglieder aus dem einen Lager keine rechtzeitige Einladung erhielten – ein unheilbarer Anfechtungsgrund.

Einen aussichtsreichen Eilantrag zum Parteischiedsgericht, die Einladung für ungültig zu erklären, sabotierte einer der Richter aus politischen Motivem durch Rücktritt, was die Arbeitsunfähigkeit des satzungsgemäß mit drei Richtern zu besetzenden Schiedsgerichts bewirkte. Hier ein Bericht vom 16.04.2016.

Als der Mandant Anfechtungsklage beim Parteischiedsgericht erhob und Verweisungsantrag stellte, ließ es das Bundesschiedsgericht der AfD erstaunlich lachs angehen. Man informierte uns nebenbei, dass man zwischenzeitlich das Parteischiedsgericht Hamburg für zuständig erklärt hätte, aber man ernenne jetzt einen Ersatzrichter für Schleswig-Holstein. Das in deutscher Rechtskultur immanente Justizgrundrecht des gesetzlichen Richters (der nicht willkürlich entzogen werden kann) hat offenbar bei der AfD keine Gültigkeit.

Auch sonst war man sich bei der AfD für keinen schmutzigen Trick zu schade. Nach einem Monat „Kafkas Schloss“ wurde es dem Mandanten zu bunt und er erhob am 13.06.2016 Klage am Landgericht Kiel. Eine solche Klage vor den Zivilgerichten ist möglich, wenn man den Parteienrechtsweg ausgeschöpft hat oder ein solches unzumutbar ist, BGHZ 106, 67, 69:

(…) Die Unzumutbarkeit folgt daraus, daß bei Wahlanfechtungen ein Verfahren gewährleistet sein muß, das binnen einer dem Wesen von Wahlen angepaßten kurz zu bemessenden Frist zu einer von den ordentlichen Gerichten nachprüfbaren Entscheidung der zuständigen Verbandsorgane über die Gültigkeit der angefochtenen Wahl führt. Wird der danach dem Verband zuzubilligende Zeitraum für eine verbandsinterne Entscheidung über die Gültigkeit einer Wahl überschritten, so kann diese – ungeachtet der den politischen Parteien durch § 14 ParteiG zur Pflicht gemachten Unterhaltung einer eigenen, zunächst zur Streitentscheidung berufenen Schiedsgerichtsbarkeit – vor den ordentlichen Gerichten zur Nachprüfung gestellt werden. Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit einer Wahl sind ihrer Natur nach eilbedürftig. Verzögerungen in der Durchführung des Wahlprüfungsverfahrens können zur Folge haben, daß nicht gültig oder in nichtiger Wahl gewählte Personen (vgl. Sen. Urt. v. 17. Dezember 1973 – II ZR 47/71, NJW 1974, 183, 185) ein ihnen nicht zustehendes Mandat während eines großen Teils – im äußersten Fall sogar während der gesamten Wahlperiode – jedenfalls tatsächlich ausüben, während der wirklich Gewählte oder derjenige, der bei Einhaltung eines ordnungsgemäßen Wahlverfahrens gewählt worden wäre, von der Ausübung seines Mandats ferngehalten wird. Ebensowenig erträglich wäre es, niemand als gewählt anzusehen, weil dadurch das Recht der Mitglieder auf Repräsentanz gewählter Mandatsträger verletzt würde. Mit einstweiligen Maßnahmen ist diesen mit Wahlanfechtungen verbundenen Problemen nicht beizukommen. Unumgänglich ist vielmehr eine alsbaldige und nicht nur vorläufige Entscheidung, durch die der Gewählte endgültig festgestellt oder eine Neuwahl angeordnet wird.

Bislang ist jedoch kein Urteil bekannt, in dem konkrete Kriterien für einen solchen Fall erkannt wurden. Doch der Mandant, ein passionierer Segler, war wagemutig genug, um in unbekannte Gewässer zu fahren. Obwohl sich beim Landesschiedsgericht auch im weiteren halben Jahr nichts bewegte, äußerte das Landgericht Kiel in der mündlichen Verhandlung vom 09.01.2017 Zweifel daran, dass bereits ein Fall der Unzumutbarkeit des Parteienrechts wegs anzunehmen wäre.

Tage später wollte nun das Landesschiedsgericht den Fall endlich entscheiden – und zwar vermutlich im Sinne des Klägers. Denn überraschend hatte das Landesschiedsgericht in einer anderen Sache gegen den Vorstand Herrn Schnurrbusch entschieden, der seinen Wohnsitz offenbar in Hamburg hatte.

Das nun vom Kläger erwartete Urteil jedoch torpedierte der Bundesvorstand der AfD und erklärte, einer der drei verbliebenen Richter des Landesschiedsgerichts sei „ausgelistet“ worden, weil er einst einen Formfehler in seinem Mitgliedsantrag gemacht hätte. (Für die Feststellung, ob jemand kein Mitglied mehr ist, wären allerdings die Schiedsgerichte zuständig.) Nach Lesart der Gegenseite wurde das Landesschiedsgericht wieder arbeitsunfähig gemacht. Zehn Monate nach seinem ursprünglichen Eilantrag bietet die AfD dem Kläger also noch immer kein Gericht.

Heute nun hat das Landgericht Kiel die Klage „als derzeit unzulässig“ abgewiesen, da das Ausschöpfen des Parteienrechtswegs zumutbar sei. Nun ja … Die jüngste Manipulation der AfD gegen die Besetzung des Schiedsgerichts hat das Landgericht nicht in das Urteil einfließen lassen.

Dieser Fall bot mir einige Déjàs-vues:

In meinem 2015 geschriebenen Politthriller Das Netzwerk hatte ich auch das Parteienrecht der fiktiven rechtspopulistischen „Anti-Euro-Partei“ gestreift, die zur Bundestagswahl antritt. Einen Cameo-Auftritt hatte Prof. Dr. Sophie Schönberger, die 2001 als Jurastudentin versuchte, die nach rechts gedriftete Berliner FDP mit dem AStA zu kapern – eine Inspiration für meine Romanheldin, die ambivalente Präsidentin des Bundesamts für Verfassungsschutz. Außerdem hatte ich mir für die Anti-Euro-Partei eine blonde, vollbusige Gräfin ausgedacht.

Beim echten Parteienrechtsprozess am Landgericht Kiel nun war Prof. Schönberger in Form ihres noch unter ihrem Mädchennamen „Lenski“ verfassten Kommentars zum Parteienrecht im Raum. Und auch meine frei erfundene Gräfin inkarnierte in Form von Rechtsanwältin Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein, welche die Gegenseite vor dem Parteiengericht vertritt. Mit ihrem hochadeligen Namen verbinde ich gewisse Parteispendenaffären der CDU, die ebenfalls in meinem Roman mitschwingen.

29. Januar 2017

Magische Mandanten

Dieser Tage machen mehrere zauberhafte Mandanten Schlagzeilen!

So hatte die CIA kürzlich einen Schwung betagter Akten freigegeben, darunter ihr Geheimrezept für Geheimtinte. In dem Material ist jedoch auch der Bericht über die von der CIA verdeckt organisierte Untersuchung der übersinnlichen Fähigkeiten von Uri Geller durch das Stanford Research Institute. Die CIA kam zu dem Schluss, dass Gellers Fähigkeiten echt seien. Wahrscheinlich „harte Fakten“ … ;)

Vor ein paar Jahren hatte ich Geller in seinem damaligen Haus bei London gemeinsam mit den Ehrlich Brothers besucht. Nunmehr wird gemeldet, dass die aktuelle Tournee an den Kassen mehr Tickets umsetzt als etwa Musical Produktionen wie „König der Löwen“. Ich habe mir die Show vor zwei Wochen hier in Köln angesehen und war schwer beeindruckt.

Der Erfolg der Ehrlich Brothers hat ihren Tourneeveranstalter ermutigt, Nicolai Friedrich eine Chance zu geben. Dessen Show in Bonn hat mich vorige Woche absolut begeistert. Eigentlich bräuchte Nicolai keinen Anwalt, er ist nämlich selbst Volljurist.

Mein erster Mandant aus dieser Branche war übrigens Marvelli. Dessen Zauberei war von einem sehr feinen Sinn für Humor geprägt, der an seinen Bekannten Heinz Erhardt erinnerte. Der Exzentriker galt als schwierig und hielt den vermutlich uneinholbaren Rekord an Gerichtsprozessen in der Kategorie „Zauberkünstler“. Für den prozessfreudigen Magier betreute ich einen der ersten Domainstreite (erfolgreich). Mein Lieblings-Marvelli-Kunststück ist sein legendäres „Geldverbrennen“, dessen Text auch heute nichts von seinem Charme verloren hat (ab Minute 17:30). Ironischerweise war der von Krankheit gezeichnete Marvelli abgebrannt, als wir uns kennenlernten.

24. Januar 2017

Haftung für kommentarlosen Retweet?

Bei einer Veranstaltung an der Uni Magdeburg, bei der auch ein Redner der AfD sprechen sollte, kam es zu Reibereien mit Kritikern. Darüber berichtete auch jemand auf Facebook und verbreitete, AfD-Mitglied John Hoewer habe Quarzhandschuhe getragen. Hoewer bestreitet diese Darstellung. Quarzhandschuhe bergen bei Rangeleien eine erhöhte Verletzungsgefahr und sind etwa Polizisten in entsprechenden Einsätzen verboten.

Jedoch ging Hoewer nicht nur gegen den Facebooker anwaltlich vor, sondern auch gegen eine Mandantin aus NRW, welche wie viele andere einen Tweet retweetete, der einen Link auf das umstrittene Facebook-Posting enthielt. Die Mandantin hatte den Tweet weder kommentiert noch geliked. Nun fordert Hoewer durch den Kölner Rechtsanwalt Matthias Brauer (KOMNING Rechtsanwälte) die Mandantin zur Abgabe einer Unterlassungserklärung wegen Behauptung und Verbreitung der im Tweet enthaltenen Äußerung auf – nebst Kostennote, versteht sich.

Wirklich überzeugend ist die Abmahnung nicht. Auch die in der Abmahnung aufgeführten Entscheidungen beeindrucken mich nicht wirklich. Wer eine ähnliche Abmahnung erhalten hat, sollte jedenfalls nicht das beigefügte Formular unterzeichnen.

10. Januar 2017

BGH zu Joffe und Bittner ./. ZDF („Die Anstalt“)

Der Bundesgerichtshof hat die Urteile des OLG Hamburg aufgehoben, mit denen die oberpeinlichen ZEIT-Journalisten Josef Joffe und Jochen Bittner dem ZDF angeblich getätigte Äußerungen in der Satire-Sendung „Die Anstalt“ verbieten ließen. Hier die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof zur Ermittlung des Aussagegehalts von Äußerungen in einer Satiresendung

Urteile vom 10. Januar 2017- VI ZR 561/15 und VI ZR 562/15

Der Kläger in dem Verfahren VI ZR 561/15 ist Mitherausgeber, der Kläger in dem Verfahren VI ZR 562/15 ist einer der Redakteure der Wochenzeitung „DIE ZEIT“. Die Kläger machen gegen die Beklagte, das ZDF, Ansprüche auf Unterlassung von Äußerungen geltend. Die Beklagte strahlte am 29. April 2014 das Satireformat „Die Anstalt“ aus. Gegenstand der Sendung war ein Dialog zwischen zwei Kabarettisten, in dem es um die Frage der Unabhängigkeit von Journalisten bei dem Thema Sicherheitspolitik ging. Die Kläger sind der Auffassung, im Rahmen dieses Dialogs sei die unzutreffende Tatsachenbehauptung aufgestellt worden, sie seien Mitglieder, Vorstände oder Beiräte in acht bzw. drei Organisationen, die sich mit sicherheitspolitischen Fragen befassen. Der Kläger in dem Verfahren VI ZR 562/15 ist darüber hinaus der Auffassung, es sei der Wahrheit zuwider behauptet worden, er habe an der Vorbereitung der Rede des Bundespräsidenten vor der Münchener Sicherheitskonferenz im Januar 2014, über die er später als Journalist wohlwollend berichtet hat, mitgewirkt.

Das Oberlandesgericht hat die Beklagte zur Unterlassung der angegriffenen Äußerungen verurteilt. Die vom Senat zugelassenen Revisionen haben zur Aufhebung der Berufungsurteile und zur Abweisung der Klagen geführt, weil das Berufungsgericht den angegriffenen Äußerungen einen unzutreffenden Sinngehalt entnommen hat. Bei korrekter Ermittlung des Aussagegehalts haben die Kabarettisten die oben genannten Aussagen nicht getätigt, so dass sie nicht verboten werden können. Zur Erfassung des Aussagegehalts muss eine Äußerung stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Äußerungen im Rahmen eines satirischen Beitrags sind zudem zur Ermittlung ihres eigentlichen Aussagegehalts von ihrer satirischen Einkleidung, der die Verfremdung wesenseigen ist, zu entkleiden. Bei einem satirischen Fernsehbeitrag ist in den Blick zu nehmen, welche Botschaft bei einem unvoreingenommenen und verständigen Zuschauer angesichts der Vielzahl der auf einen Moment konzentrierten Eindrücke ankommt. Dies zugrunde gelegt lässt sich dem Sendebeitrag im Wesentlichen nur die Aussage entnehmen, es bestünden Verbindungen zwischen den Klägern und in der Sendung genannten Organisationen. Diese Aussage ist zutreffend.

Vorinstanzen:

LG Hamburg – Entscheidungen vom 21. November 2014 – 324 O 443/14 und 324 O 448/14

Hanseatisches OLG – Entscheidungen vom 8. September 2015 – 7 U 121/14 und 7 U 120/14

Karlsruhe, den 10. Januar 2017

Mit dem Einzug in die Hall of Shame des BGH schließen Joffe und Bittner zu Prozesshansel Melmut Markwort auf. Dieser galt bislang als einziger prominenter Journalist, der sich nicht dafür zu schade war, Kollegen oder Kabarettisten zu verklagen. Zwischen den Zeilen hat der BGH übrigens auch signalisiert, wie er in Sachen Böhmermann entscheiden wird.