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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


Piratenbräute gesucht

Derzeit tobt in Piratenkreisen – mal wieder – die Gender-Diskussion.

Statistisch gesehen sind Talente zu 50:50 auf Angehörige beide Geschlechter verteilt. Daher läge es rein ökonomisch gesehen im Interesse einer jeden Gruppe, möglichst auch das Potential von Kandidatinnen zu nutzen. Im NRW-Wahlkampf 2010 wurden die NRW-Piraten souverän von einer Piratenbraut geführt, im letzten Bundesvorstand prägte vor allem die telegene politische Geschäftsführerin ein positives Bild der Böse-Buben-Partei. Den Erkenntnisprozess, dass Frauen in unserer gegenwärtigen Gesellschaft wesentlich mehr leisten müssen, um für die gleiche Leistung die gleiche Anerkennung wie männliche Konkurrenten zu erfahren, haben von den GRÜNEN bis hin zur CDU alle Parteien vollzogen und als ihre Antwort auf die Benachteiligung die Quote gefunden.

Nahziel der Quote ist, dass der gegenwärtige Ist-Zustand durch einen Eingriff in den demokratischen Prozess dem wünschenswerten Soll-Zustand angeglichen werden soll. Fernziel der Quote ist die Etablierung eines Klimas, das eine Vielzahl an Bewerberinnen ermutigt, ihr Talent zu aktivieren. Den klimatischen Faktor kann man kaum unterschätzen: Hierzulande etwa gibt es nur sehr wenig Informatikerinnen, obwohl dies keineswegs der Normalverteilung entspricht. In den USA soll das Verhältnis in etwa ausgeglichen, in Osteuropa der Frauenanteil sogar höher sein. Eine aus IT-Leuten hervorgegangene Partei hätte dort womöglich sogar ein umgekehrtes Gender-Problem … ;)

Eine Quotenregelung hat jedoch in der Piratenpartei absehbar keine Realisierungschance, denn etliche Piraten als auch Piratinnen(!) hegen gegen die in den konventionellen Parteien längst etablierte Quote fundamentale Vorbehalte. Beim Aufstellungsparteitag etwa in NRW gab es bei Bewerbern beiderlei Geschlechts solche, die nun einmal evident weder für eine parlamentarische Arbeit, noch überhaupt bei den Piraten qualifiziert gewesen wären. Die Vorstellung, dass eine solche aufgrund der geringen Bewerberinnenzahl bei einer Quotenregelung auf die Liste gerutscht wäre, löst großes Unbehagen aus. Auch haben die Piratinnen einen gewissen Stolz, nicht „aus Mitleid“ ein Amt „geschenkt“ zu bekommen.

Aus der Tatsache, dass sich unter den aktuellen Bewerbern für den NRW-Vorstandsvorsitzenden bislang keine Frau befindet, folgt unschwer, dass es hier ausgerechnet bei der wohl modernsten Partei ein für das Jahr 2012 unzeitgemäßes Problem gibt. Es entspricht allgemein noch immer der Erfahrung, dass Entscheidungsfreudigkeit und Vertreten eigener Meinung durch Männer als Führungsstärke gilt und daher positiv wahrgenommen wird, während das gleiche Verhalten bei Frauen als unerwünscht gilt und schnell mit negativen Adjektiven und „typisch weiblichen“ Eigenschaften  kommentiert wird.

Wenn also bei den Piraten absehbar keine Quote kommen wird, stellt sich die Frage nach Alternativen, um Bewerberinnen zu ermutigen. Mit welchen anderen Maßnahmen ein frauenfreundlicheres Klima erzeugt werden könnte, weiß ich leider auch nicht. Man könnte aber wenigstens die hausgemachten Probleme angehen und auf Entgleisungen, wie man sie bisweilen leider beobachten muss, sensibler und entschiedener reagieren. Der Zeitpunkt, dieses Problem konsequent anzugehen, wäre spätestens jetzt. Im Bundestagswahlkampf 2013 werden sich die Medien andernfalls auf Brandbriefe von JuPis stürzen, die wenigen Frauen bei den Piraten ausblenden und das andere tun, was sie im NRW-Wahlkampf so getan haben.

UPDATE: Einige Piratendamen störten sich an meinem liebevoll gemeinten Titel „Piratenbräute“ (Anspielung auf den Film „Die Piratenbraut“), weil sie sich nicht als Anhängsel definiert sehen wollen. Einen vergleichbar plakativen Alternativ-Vorschlag lieferten sie allerdings nicht. Gibt es eigentlich eine feminine Bezeichnung für „Troll“?

« Dr. Nikolaus Klehr – Klagen, bis der Arzt kommt (17) – Piraten-Eichhörnchen gesucht! »

Autor:
admin
Datum:
23. Juni 2012 um 12:40
Category:
Allgemein,Internet,Politik
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2 Comments

  1. Links 2012-06-25 | -=daMax=-

    […] kompa: Bei den Piraten tobt mal wieder die Genderdiskussion: Piratenbräute gesucht. Eine Quotenregelung hat jedoch in der Piratenpartei absehbar keine Realisierungschance, denn […]

    #1 Pingback vom 25. Juni 2012 um 17:16

  2. Piratenbräute… – Orkpiraten

    […] Kompa hat es gleichzeitig verstanden und nicht verstanden:  Wenn also bei den Pira­ten abseh­bar keine Quote kom­men wird, stellt sich die Frage nach […]

    #2 Pingback vom 25. Juni 2012 um 18:50

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