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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


Rechtsweg und Klagegegner bei hoheitlichen Dummschwätzern

Das gestern bekannt gewordene Urteil gegen den Regensburger Affenprediger gibt Anlass, auf ein in der medienrechtlichen Fachliteratur kaum beleuchtetes Problem bei Äußerungen von Gestalten hinzuweisen, die auch irgendwie hoheitlich handeln. Welcher Rechtsweg ist einschlägig und wer genau ist Beklagter?

Der Kläger im vorliegenden Fall war nämlich in genau diese Falle getappt und mit seiner ersten Attacke in dieser Sache gegen den scheinheiligen Regensburger Bischof zunächst gescheitert. Seine Heiligkeit hatten nämlich nicht privat klöngeschnackt, sondern öffentlich-rechtlich gepredigt, denn bei Kirchens fühlt man sich als Teil der Verwaltung der irdischen Schafherde. Daher wurde der am Landgericht anhängig gemachte Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht verwiesen.

Die Rechtswegfrage ist bei Äußerungen von Beamten, Beliehenen und Klerikern, die nun mal „auch“ hoheitlich handeln, eine ziemlich komplizierte Sache, die meiner Erfahrung nach auch Richter überfordert. Bei Beamten und Konsorten kommt es regelmäßig zu Abgrenzungsschwierigkeiten, in welcher Eigenschaft sie überhaupt oder auch gehandelt haben, etwa wenn sich ein Innungsmeister öffentlich äußert, der auch ein Amt bei der IHK hat. Wie, wenn die Tat nur bei Gelegenheit begangen würde, wie wenn ein Äußerungsexzess vorliegt, der nichts mit der Beamtentätigkeit zu tun hat (Rechtswidrigkeit ist kein Kriterium, denn die ist bei Haftung ohnehin gegeben)? Die Sache wird auch noch dadurch verkompliziert, dass das Staatshaftungsrecht systemwidrig im Privatrecht geregelt ist. Hier gilt es nun die tückische Feinheit zu beachten, dass § 839 BGB zwar grundsätzlich die Schadensersatzhaftung für deliktisches Handeln eines Amtsträgers auf den Staat überleitet – gemeint ist aber eigentlich nur die finanzielle. Der Unterlassungsanspruch aber (Naturalrestitution) kann gegen eine Behörde nicht ohne Weiteres auf dem Privatrechtsweg geltend gemacht werden, auch wenn das BGB den Anschein erweckt. Und wäre das jetzt nicht auch noch kompliziert genug, können Unterlassungsansprüche gegen öffentlich-rechtliche Einrichtungen wie TV-Sender jedoch sehr wohl an den Zivilgerichten (und praktisch nur da) eingeklagt werden.

Der Regensburger Pfaffe jedenfalls war professionell vertreten und lehrte den Kritiker das Beten, indem er ihn zivilrechtlich auflaufen ließ. Doch mit dem Rechtswegwechsel im laufenden Gefecht stellte sich das mit der falsch erhobenen Klage einhergehende Folgeproblem:

Beklagt hatte der Kritiker zunächst den Bischof. Der Bischof selber ist aber kein nach § 78 Abs. 1 VwGO taugliches Klageopfer, vielmehr hätte die Körperschaft verklagt werden müssen, was der Kläger dann am VG folgerichtig mit seiner Erweiterung auf die Dözese getan hatte. Hier scheiterte er jedoch wegen der interessanten Annahme des Bayrischen Verwaltungsgerichts Regensburg, es fehle an einer Wiederholungsgefahr. Die Maßstäbe des Wettbewerbsrechts, wo regelmäßig die Erstbegehung zur Begründung der Annahme einer Wiederholungsgefahr ausreichen, seien nicht übertragbar. (Kenner des Hanseatischen Persönlichkeitsrechts benötigen in diesem Moment einen Defibrillator.)

Dem Ehranspruch sei zwischenzeitlich wenigstens durch Korrektur auf der kirchlichen Homepage Genüge getan worden, meinte der vom Kläger daraufhin angerufene Bayrische Verwaltungsgerichtshof. Jedoch wollten die Münchner dem Kritiker wenigstens die Kosten für seine Abmahnung zusprechen. Das aber passte dem Bischof nicht, und der Geistliche bemühte die Kollekte zum Gang vor das Bundesverwaltungsgericht. Hochwürden wollten Brief und Siegel für seine Rechtsauffassung haben, Religionsfreiheit sei mit Narrenfreiheit gleichzusetzen.

Doch die Verwaltungsrichter riefen sich möglicherweise jenes Relief im Bremer Rathaus in Erinnerung, in welchem einem dort unerwünschten Bischof der Hirtenstab in den Allerwertesten gerammt wird, und steckten dem Regensburger Kollegen dessen Revision an gleiche Stelle.

Zum gestrigen Urteil steht in der Süddeutschen:

Während Schmidt-Salomon die Entscheidung als „wichtiges Signal für den Rechtsstaat“ feiert, teilt die Diözese mit, sie bedauere und prüfe die Zurückweisung. Womöglich wird Müller weiterklagen – bis zum jüngsten Gericht.

Offenbar glauben die Kleriker, sie hätten die Macht, ein Urteil „zurückzuweisen“. Seine Heiligkeit haben noch immer nicht verstanden.

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Autor:
admin
Datum:
25. August 2011 um 13:06
Category:
Abmahnung,Allgemein,Internet,Medienmanipulation,Medienrecht,Meinungsfreiheit,Persönlichkeitsrecht,Politik,PR,Zensur
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