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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


30. September 2009

BILD ./. taz

Morgen verhandelt der Bundesgerichtshof den Streit um den obigen Werbespot, den der Axel Springer-Verlag als herabsetzende Werbung erachtete und – wo sonst? – beim Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung erwirkte. Man muss kein eingefleischter Kenner der BGH-Rechtsprechung oder Hellseher sein, um vorherzusagen, dass der BGH die auf Hamburger Landrecht beruhende Verfügung aufheben und den Spot zulassen wird.

28. September 2009

Kaffeesatzlesen nach der Wahl

Das urplötzlich aufgetauchte und daher auffällig bemühte wie willkürliche Wahlkampfthema Kinderpornographie im Netz (die es in der Form, die Zensursula bekämpfen will, praktisch gar nicht gibt) hat der CDU offensichtlich nichts genutzt.

Der andere Buhmann der vor allem von Rentnern sowie in den ländlichen Regionen gewählten Partei machte dem Wunschkoalitionspartner FDP ein (taktisches?) Wahlgeschenk, der sich durch Kritik an der „Horrorliste“ profilieren konnte.

Die Grünen und die FDP, die zumindest behaupten, dass ihnen was an Bürgerrechten wie informationelle Selbstbestimmung läge, haben zugelegt, während die Koalitionsparteien, die das Internetsperrengesetz verbrochen hatten, jeweils ihr verdient schlechtestes Ergebnis seit fünf Jahrzehnten erzielt hatten.

Aus Gesprächen mit allen möglichen Leuten in den letzten Wochen weiß ich, dass es der Piratenpartei nicht gelungen ist, ihre tatsächlichen Ziele breit zu kommunizieren. Die weitgehende Ignoranz der Medien und die Gegenpropaganda haben gegriffen. So schreibt etwa sogar noch heute der STERN darüber, dass die Piratenpartei Internetsperren gegen Pornographie ablehnt, ohne darauf hinzuweisen, dass die Piratenpartei sogar den erheblich gravierenderen Eingriff, das Löschen fordert, sowie konsequentere Anwendung der Gesetze. Die Stigmatisierung durch die Causa Tauss hat bei den oberflächlich urteilenden Wählern definitiv verfangen. Dass der mit der Medienindustrie geschäftlich vernetzte Stefan Raab bei seiner privaten Bundestagswahl eine für seine jugendliche Zielgruppe besonders wichtige Partei geschnitten hat, sollte man ruhig langfristig im Hinterkopf behalten.

Nichtsdestotrotz: 2 % sind ein beachtlicher Start. Die Grünen hatten mit 1,5 % begonnen. Diese 2 % werden den anderen Parteien fehlen, und man darf davon ausgehen, dass viele für die Bürgerrechtsfrage sensibilisiert wurden und nur wegen der 5 %-Hürde letztlich die etablierten Bürgerrechtsparteien Grüne und FDP gewählt haben. Sollte die Piratenpartei im Politbetrieb allgemein Druck in Richtung Vernunft und Internetkompetenz gemacht haben, ist sie schon heute eine Erfolgsgeschichte.

845.904 Menschen, überwiegend solche der intellektuellen Elite, war es wichtig gewesen, ihre Stimme der neuen Partei anzuvertrauen. In Berlin errang die Piratenpartei übrigens über 3 %. Hoffentlich sind diese Signale deutlicher als die der Lobbyisten.

27. September 2009

75.Jahrestag der Gründung des Reichssicherheitshauptamts

Am 27.September 1933 wurde das Reichssicherheitshauptamt ins Leben gerufen, in dem die Geheimdienste und Polizei zusammengelegt wurden. Die GeStaPo wurde das ultimative Machtinstrument, um den Staat nach innen hin zu kontrollieren. Ausgerechnet zum 75. Jahrestag der Gründung dieser schrecklichen Behörde werden Tendenzen bekannt, dass das von der konservativen Partei geführte Innenministerium wieder eine solche Einrichtung aufbauen möchte.

Heute haben Sie Gelegenheit, dem Staat zu kommunizieren, was Sie davon halten.

26. September 2009

Das Minischderle plant also wirklich einen Polizeistaat

Letzte Woche hatte ich einen Beitrag über Schäubles entglittenen feuchten Traum eines nicht parlamentarisch kontrollierten Geheimdienstes geschrieben und über die Zukunft unserer Sicherheitsbehörden spekuliert. Die Woche davor hatte ich leicht provokant gefragt, ob wir wieder eine politische Polizei haben. Wie ein nunmehr aufgetauchtes CDU-internes Papier zeigt, war mein Argwohn noch bei weitem nicht groß genug. Man will offenbar die stets als besonders gelungenes Merkmal für Rechtsstaatlichkeit gepriesene Trennung zwischen dem Inlandsgeheimdienst „Verfassungsschutz“ und der Polizei aufheben. Das Resultat wäre dann eine „geheime Staatspolizei“, abgekürzt: „GeStaPo“. Eine sachlichere Bezeichnung wäre „Staatssicherheit“, abgekürzt „StaSi“.

Wenn Sie also eine politische Polizei wünschen sollten, wählen Sie bitte die CDU. Falls Sie glauben sollten, die FDP würde in einer Koalition derartigen Begehrlichkeiten wirksam entgegen treten, wäre es ein guter Zeitpunkt, sich mit der politischen Geschichte der FDP zu befassen. Wenn Sie eine Partei unterstützen wollen, die in Sachen Bürgerrechten verlässlich bleibt und insoweit keine Kompromisse schließen wird, gibt es derzeit nur eine Alternative.

Und wer glaubt, dass Steinmeyer weiß, wovon er redet, sollte sich diesen demagogischen Stuss ansehen:

Ein Prösterchen mit dem echten Dr. Udo Brömme

Gestern habe ich mir in Berlin eine Vorstellung des Regie-Kollektivs „Rimini Protokoll“ angesehen, für das ich gelegentlich arbeite. Rimini Protokoll sind derzeit die gefragtesten Avantgardisten im europäischen Schauspielbetrieb. Markenzeichen der Truppe ist eine Art Reality-Theater: Sie lehnen die Zusammenarbeit mit Schauspielern als künstlich ab und arbeiten stattdessen mit authentischen Personen („Experten des Alltags“), die eingebunden in eine Inszenierung ihre eigene Geschichte erzählen.

Passend zur anstehenden Bundestagswahl wurde des mehrfach preisgekrönte Stück „Wallenstein“ aufgeführt, bei dem die Hauptrolle ein gescheiterter CDU-Kandidat für die Mannheimer Oberbürgermeisterwahl 1999 seine tragische Geschichte darstellt. Dr. Sven Joachim Otto trat mit gerade einmal 29 Jahren an und hatte sich in so peinlicher Art und Weise als als stromlinienfreundlicher CDU-Yuppie inszenieren lassen, dass dies damals das Team der Harald Schmidt-Show zum Anlass für eine Parodie nahm und die Kunstfigur „Dr. Udo Brömme“ kreiierte.

Mit bemerkenswerter Selbstironie erzählt Otto auf der Bühne die Geschichte seines anbiedernden Wahlkampfs, die schließlich in dem Verrat hinter den eigenen Linien ändert. Seine Rolle war logischerweise die des Wallenstein. Der Mann bringt seine Story unglaublich witzig rüber, vielleicht ist an ihm selbst ein Entertainer verloren gegangen. Nach seinem Abenteuer in der Politik machte der damalige Sozialrichter einen radikalen Schnitt und praktiziert inzwischen erfolgreich und glücklich als Anwalt in Düsseldorf. Rückblickend sei die verlorene Wahl und die enttäuschende Erfahrung mit den Parteifreunden das Beste, was ihm hatte passieren können. Gegenwärtig läuft im ZDF-Theaterkanal eine TV-Fassung der Wallenstein-Inszenierung.

Der Zufall wollte es, dass mein Sitznachbar im Theater ebenfalls ein Entertainer und Politclown war, der in Berlin als „Dr. Seltsam“ eine Art kommunistische Talkshow moderiert. Ich erzählte ihm mal besser nicht, dass ich am Nachmittag bei Bärbel Bohley zum Tee Trinken gewesen war … Alles in allem war als das politische Spektrum meines gestrigen Tages also sehr breit gefächert gewesen, zumal ich selbst ich mich ja inzwischen zur einer Partei bekenne (deren Profil noch nicht so recht feststeht, die aber im Gegensatz zu den Mitbewerbern nicht unwählbar ist).

Zu der damaligen Kampagne des „Kandidaten zum Anfassen“ hatte auch das Angebot gehört, auf Bestellung bei allen möglichen Partys mit einem (von einer Brauerei gesponserten) Bierfässchen zu erscheinen. Das Bier, dass wir nach der Vorstellung tranken, wurde bedeutend unspießiger serviert.

Hier liest Brömme der Piratenpartei die Leviten:

25. September 2009

Interview mit einer erfahrenen Bürgerrechtlerin

In den letzten Wochen sind auf Telepolis.de mehrere Artikel von mir zum BND erschienen, gestern einer zum umstrittenen Finanzvertrieb DVAG, der mit Kohls Ex-Kabinett verflochten ist und allen Errungenschaften des Arbeitsrechts Hohn spricht.

Heute habe ich Ehre und Vergnügen, mit einer Frau ein Interview zum von ihr gewählten Thema „Bürgerrechte“ zu führen, die von Geheimdiensten, dem Kampf um Meinungsfreiheit, aber auch von Kohl und seinen Freunden eine Menge erzählen kann. Sie hatte in einem totalitären System gelebt, jedoch mit ihrer Zivilcourage ein Feuer entfacht, das sich zu einem friedlichen Flächenbrand entwickelte und die erste gelungene Revolution auf deutschem Boden auslöste – gewaltlos.

Heute, 20 Jahre nach dem Herbst 1989, werden wir über das Deutschland von 2009 sprechen, und ich bin schon sehr gespannt, was meine Gastgeberin, die ich letztes Jahr persönlich kennen lernen durfte, mir erzählen wird. Sie hat diesen Monat einen bemerkenswerten Text auf Ihrer Website veröffentlicht.

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In Leserforum meines gestrigen Beitrags zur DVAG postete jemand dieses Gedicht von 1848(!), das offenbar zeitlos zu sein scheint, und hier als Handreichung für Wahlunentschlossene dienen soll: (more…)

23. September 2009

Weber ./. BND: Bundeskanzleramt gibt Sperrerklärung ab

Bzgl. des Verfahrens Dr. Gabriele Weber ./. Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesnachrichtendienst, (siehe hier), hat das Bundeskanzleramt nun eine Sperrerklärung abgegeben, die ich auf Telepolis.de kommentiert habe.

Wenn wir schon nicht einmal über die Geschichte von Nazis informiert werden dürfen, dann kann man sich einen Reim darauf machen, was noch so alles im Dunkeln bleiben soll. Wie werden gerne regiert …

Journalistische Sittenstrolche beim Report aus Mainz

§ 353d Abs. 3 StGB stellt mit bis zu einem Jahr Gefängnis unter Strafe, wenn jemand

die Anklageschrift oder andere amtliche Schriftstücke eines Strafverfahrens, eines Bußgeldverfahrens oder eines Disziplinarverfahrens, ganz oder in wesentlichen Teilen, im Wortlaut öffentlich mitteilt, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist.

Gäbe es die Voraussetzung „im Wortlaut“ nicht, hätte der SWR jetzt ein kleines Problem. Report Mainz hat Teile der Anklageschrift referiert, die Jörg Tauss schwer belasten. Ob das guter Journalismus ist, eine offenbar durch Indiskretion erlangte Anklageschrift zu verbreiten, mag ein jeder selbst entscheiden. Ebenso, ob der Zeitpunkt der Veröffentlichung so kurz vor der Wahl ein Zufall ist.

Die Piratenpartei hat durch diese Veröffentlichung ein massives Problem aufgrund ihrer kontrovers diskutierten Entscheidung, Tauss politisches Asyl zu gewähren, das jedenfalls PR-mäßig nicht zu unterschätzen ist. Die Tatsache, dass Tauss gar nicht für ein politisches Amt kandidiert, scheint irrelevant zu sein.

Ich hatte letzte Woche ein Treffen der Piraten hier in Münster besucht, wo für mich überraschend Tauss als Gast anwesend war. Der erfahrene Vollblutpolitiker erwies sich in seinem politischen Vortrag und in der anschließenden Fragerunde als sehr kompetent und in jeder Hinsicht überzeugend.

Aber genau aus diesem Grunde kann ich nicht nachvollziehen, dass sich ein erfahrener Politiker bei angeblich delikaten Recherchen nicht lückenlos absichern und Derartiges völlig allein auf sich gestellt tun würde.

Aber wie dem auch sei: Jeder hat einen Rechtsanspruch auf ein faires Verfahren. Die öffentliche Meinung allerdings wird nach diesen Vorwürfen ihr Urteil gefällt haben, was sich auf die Meinung der Richter mit hoher Wahrscheinlichkeit auswirken wird – und auch seine Wirkung auf den Spin bzgl. der Piratenpartei nicht verfehlen wird. Die Masse ist nun einmal unglaublich dumm und urteilt undifferenziert und assoziativ.

Journalisten haben die Rolle des Beobachters. Durchgestochene Anklageschriften verbreiten kann jeder Blogger, sogar jeder „Leser-Reporter“. Dafür brauche ich keinen öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Schon gar keinen, der sich in Wahlkämpfe einspannen lässt.

UPDATE: Stellungnahme des Angeklagten.

22. September 2009

Daimler ./. Grässlin: BGH hebt Landgericht Hamburg-Urteil auf

Der BGH hat heute (wie hier angekündigt) in einem wichtigen Urteil die konstant vom Landgericht Hamburg beschnittene Meinungsfreiheit gestärkt. Wie die Financial Times Deutschland berichtet, war Grässlins Interview, in dem er die Umstände des Rücktritts von Schrempp kommentierte, laut Karlsruhe eine zulässige Meinungsäußerung.

Grässlin musste sich die Zulassung zur Revision hart erstreiten. Mich persönlich verbindet mit Grässlin, dass auch sein Name auf der „Gästeliste“ von Buskes Freitagssitzung stand, als ich vor drei Jahren dort das erste mal meinen Fuß in die berühmt berüchtigte Pressekammer setzte.

Herzlichen Glückwunsch und meinen tiefen Respekt für Ihre Hartnäckigkeit, die nun belohnt wurde! Verbunden fühle ich mich allen Spendern, die Grässlin bei diesem für die Meinungskultur in Deutschland richtungsweisenden Urteil unterstützt haben.

Heute war ein großer Tag für die Meinungs- und Pressefreiheit!

Sowie das Urteil vorliegt, werde ich es eingehend kommentieren. Schöne Grüße nach Hamburg!

UPDATE:

Pressemitteilung des BGH

Piraten entern den Mainstream

Langsam scheint der Mainstream zu begreifen, dass sich mit der Piratenpartei, die jetzt schon Platz 7 der mitgliederstärksten Parteien beansprucht, eine Bewegung formiert hat, die ernst zu nehmen und mit der dauerhaft zu rechnen ist. Viel diskutiert wird derzeit über FAZ-Frank Schirrmachers aktuellen Beitrag zum Thema.

Ob sie die 5%-Hürde schaffen wird, oder auch nicht: Wenn die etablierten Parteien wissen wollen, an wen sie ihre Wähler kommenden Sonntag verlieren werden, dann kann Ihnen dieses Statement hier weiterhelfen: