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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


Die unwissende Müllhalde Wikipedia und ihre sympathischen Bewohner

Die Idee, das Wissen der Menschheit kommerzfrei zusammen zu tragen und es durch Nutzung von Schwarmintelligenz kollektiv zu evaluieren, hat im Prinzip einen großen Charme.

Klein-Phi macht auch Mist

Die Stärke dieses scheinbar basisdemokratischen Projekts ist jedoch gleichzeitig seine Schwäche: die „Benutzer“ mit ihren unterschiedlichen Kenntnisständen, Ansichten und methodische (Un)Fähigkeiten. Zudem erweist sich die Wikipedia als anfällig für missionierende Neurotiker, die das Medium als Selbstzweck begreifen und die Wiki-Community als eine Art „Second live“ betrachten. Es dürfte kaum überraschen, dass viele der meistens anonymen Wiki-Helden im „First Life“ nicht viel zu melden haben.

Solche notorischen Besserwisser, die Glaubensbekenntnisse mit Wissenschaft verwechseln, können unheimlich nerven, was ernst zu nehmende Autoren entweder vergrault, oder bei vorhandenem Temperament zu Grabenkämpfen und (angeblich) persönlicher Auseinandersetzung nötigt. Sachfragen oder Kompetenz spielen bei Wiki-typischen Konflikten eine untergeordnete bis gar keine Rolle. Um Wahrheitsfindung geht es übrigens schon thematisch nicht, denn es soll nur das, was ca. 7000 überwiegend anonyme Wikinger für Wissen halten („Google“), dokumentiert werden – ansonsten sei es „Theoriefindung“.

Erfahrene Wiki-Krieger heucheln einen „Neutral Point of View (NPOV)“, den es zu ehren gelte – wobei es einen solchen neutralen Standpunkt gar nicht gibt. Die gruppendynamischen Phänomene im Wikipedia-Experiment erinnern frappierend an Orwells Farm der Tiere: Zur Durchsetzung von Meinungen oder Zensur des Anderen wird wie im konventionellen Politsumpf konspiriert: Man „überzeugt“ nicht durch Argumente, sondern durch Aufdringlichkeit und die Anzahl von Unterstützern. Und wer in der Wikipedia keine Freunde hat, der generiert halt Fakes, sogenannte Sockenpuppen, die seiner Meinung „beipflichten“.

Adminpedia

Wie in anderen Irrenanstalten auch gibt es Aufseher: 300 Admins heucheln, sie seien „normale“ Benutzer, die lediglich ein paar Rechte mehr hätten, ermahnen ihre Mitmenschen, von guten Absichten der anderen Insassen auszugehen usw. Wie die Realität aussieht, hat die Stupidipedia amüsant zusammengetragen. Manche sind eben „gleicher“. Wie tragisch solche Karrieren enden und wie arrogant die Admins sogar miteinander umgehen, entnimmt man der Liste der gestrauchelten Admins und den dort verlinkten Begründungen.

Wer die Abgründe der Wiki-Wichtigtuer ernsthaft ergründen will, ist mit Günter Schulers Wikipedia-Inside (2007) bestens bedient. Was Schuler über die „Admin Mafia“ zu sagen hat, gibt zu denken. Die Reaktionen belegen, dass die Wikinger mit Kritik nicht wirklich souverän umgehen können. Dies ist fragwürdig, wenn man einem Projekt arbeitet, das von vielen als „Leitmedium“ gesehen wird, Google partiell dominiert und vielfach von konventionellen Medien adaptiert wird.

Wikipediastraf“recht“

Der Streit um Inhalte ist eine Sache. Der um Menschen eine andere. Admins dürfen stante pede einzelne Benutzer sperren, wenn sie glauben, diese hätten einen mit dem Admin befreundeten Nutzer beleidigt (was bei sachlicher Wortwahl häufig Ansichtssache ist). Und wenn sich der gesperrte Nutzer auf seiner Benutzerseite rechtfertigen will, wird dessen Benutzerseite zur Strafe komplett zensiert und der Nutzer unbegrenzt gesperrt. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist im Wiki-Universum unbekannt. Früher hatte man Bücher und Menschen noch verbrennen müssen, um sie zuverlässig zu zensieren und zu entmündigen.

Die Macht des kleinen Mannes scheint Admins häufig zu Kopf zu steigen und zu nahezu sadistischer Arroganz zu stimulieren. Ein Geschmäckle bekommt das Kindertheater, wenn sich herausstellt, dass manche Admins mit den Parteien befreundet und damit befangen sind, was sich besonders leicht durch Abgleich der Anwesenheitslisten mit Wikipedia-Stammtischen feststellen lässt. Während in der Justiz jedermann einen Anspruch auf rechtliches Gehör hat, dem Angeklagten das „letzte Wort“ zusteht und Strafen nur als ultima ratio eingesetzt, gelten in der Subkultur der Wikipedia rustikalere Maßstäbe: Erst hängen, dann diskutieren – wobei sich der Betreffende wegen Sperrung nicht zur Wehr setzen kann.

Brain Drain

Die Karawane der Benutzer, die ihre Mitarbeit beendet haben, wird täglich länger.

Gründer Jimmy Wales im April 2009:

„Ich versuche, mehr Akademiker zum Schreiben zu animieren, um die Qualität zu verbessern“.

Da soll er mal suchen.

« Die FDP hat nachgefragt: Ursel & Co. haben keine Ahnung, davon aber jede Menge – Petition unterzeichnen! Jetzt gleich! »

Autor:
admin
Datum:
13. Juni 2009 um 11:55
Category:
Meinungsfreiheit,Zensur
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