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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


30. Juni 2009

„Entsorgter Vater“ nun auch um Kinderbild ärmer

„Mann“ hat es halt nicht leicht als geschiedener Vater. Seine Lebensgeschichte und die von weiteren Leidensgenossen hat ein Filmemacher thematisiert und dabei auch ein acht Jahre altes Foto von sich und seiner heute elfjährigen Tochter verwendet – was ihm nun das Landgericht Düsseldorf per einstweiliger Verfügung untersagte.

Die zugrundeliegende Rechtsfragen gehören zu den noch immer ungelösten Problemen im „Recht am eigenen Bild“. So ist völlig ungeklärt, wer bei der Abbildung von Minderjährigen die Einwilligung nach § 22 KunstUrhG erteilen darf. Haben etwa Erziehungsberechtigte, die das Kind laut § 107 BGB vertreten, auch eine Einwilligungsbefugnis, die sie gegen den Willen des Kindes ausüben dürften? Eher nicht.

Hier wird sich die Sache aber um eine andere Rechtsfrage drehen: Eine Einwilligungserklärung ist nämlich gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 4 KunstUrhG dann entbehrlich, „wenn die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient.“ Dieses künstlerische Interesse muss allerdings gemäß § 23 Abs. 2 KunstUrhG mit den berechtigten Interessen des Kindes abgewogen werden, ist also kein pauschaler Freibrief. Und wie das nun mal mit dem Persönlichkeitsrecht so ist (nichts anderes ist § 22ff KunstUrhG), wird dieses im Zweifel überwiegen. Der Regisseur und Vater wird sich fragen lassen müssen, ob die Bloßstellung seiner Tochter vor der Öffentlichkeit bzgl. eines privaten Themas wirklich eine so gute Idee ist.

Albern ist vorliegend allerdings, dass es sich hier um ein Foto einer damals wohl Dreijährigen handelt, die heute 11 Jahre als ist. Ein wesentliches Kriterium für die Annahme eines Anspruchs aus § 22 KunstUrhG ist nämlich die Erkennbarkeit, die rein optisch wohl ausscheiden dürfte. Doch andererseits kann auch eine Erkennbarkeit durch Kontext ausreichen – und der ist nun mal wohl gegeben.

Alles in allem dürfte die einstweilige Verfügung des Landgerichts Düsseldorf im Einklang mit der Rechtsprechung stehen. Die Verhandlung am 07. Juli wird daher mit einem Vergleich enden oder ein reiner PR-Termin für den Filmemacher werden.

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29. Juni 2009

Eindruck: Ruhrbarone werden von SPD-Provinz-Chefin abgemahnt, die Wert darauf legt, keine Zensur auszuüben …

Wer den Gag an der obigen Überschrift nicht versteht, ist definitiv im falschen Blog.

Mal wieder hat sich gezeigt, wie schnell die Internet-Community reagieren kann – und da sind die Politiker jener Partei, die Zensursulas Unfug mitgetragen hat, eine willkommene Zielscheibe.

Worum es geht, liest man am besten direkt bei den Ruhrbaronen nach.

Was die armen Ruhrbarone nicht wissen: Sie müssen gar nicht „gesagt“ haben, was man ihnen verbieten will. Ausreichend ist nämlich seit der Stolpe-Rechtsprechung der bloße Eindruck, etwas angedeutet zu haben. Verdachtsberichterstattung ist hierzulande nämlich praktisch nahezu unzulässig geworden. Und deshalb hat der Anwalt der SPD-Frau bei gewisser Chuzpe gute Chancen, in Berlin oder Hamburg eine einstweilige Verfügung zu erwirken.

Doch den Ruhrbaronen sprang als Engel in der Not SPIEGEL-Online bei, das als Leitmedium gesehen wird. Und viel schöner kann man sich in der Online-Gemeinde (und um die ging es ja) anscheinend gar nicht blamieren. Die SPD-Frau hat also an der PR-Front ein gewaltiges Eigentor geschossen und sollte sich ganz schnell Gedanken um Schadensbegrenzung machen. Sollte sie die Sache tatsächlich vor den Kadi bringen, wird man ihr politischen Sachverstand absprechen dürfen. Um sich vom Verdacht des Zensierens reinzuwaschen sind die Ankündigung von privatrechtlicher Zensur und die hiermit verbundene Einschüchterung das denkbar ungeschickteste Mittel.

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28. Juni 2009

OLG Zweibrücken lehnt wie OLG Hamburg Forenhaftung ab

Nachdem die Bundesregierung den FDP-Vorschlag zur Regulierung der Forenhaftung und weiterer Missstände nicht folgen wollte (oder konnte, weil unsere Politiker nun einmal Internet nur durch ausgedruckte Seiten kennen), bleiben die Probleme der weiterhin der Rechtsprechung überlassen.

Erfreulicherweise folgte in Sachen Forenhaftung das pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken den Richtern des hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, welche in dieser Frage eine vernünftigere Einstellung haben als das berüchtigte Landgericht Hamburg:

Die Pflicht des Betreibers zur Überprüfung der eigenen Internetplattform darf nicht so weit gehen, dass der Diensteanbieter „pro-aktiv“, d.h. anlassunabhängig, nach Rechtsverletzungen jedweder Art zu suchen hat. (…) Dies folgt auch aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der den Plattformbetreiber (…) nicht zu einer vorsorglichen Überprüfung sämtlicher Inhalte auf etwaige Rechtsverletzungen verpflichten will (…) Die Pflicht allgemein, auch bereits vor Eintritt einer Rechtsverletzung bzw. der konkreten Gefahr einer Rechtsverletzung nach Schutzrechtsverletzungen zu suchen, gefährdet rechtlich zulässige Geschäftsmodelle, bei denen die Tätigkeit des Betreibers nur auf den technischen Vorgang des Speicherns und der Zugänglichmachung von Inhalten, die Dritten zur Verfügung gestellt werden, bezogen ist.
Eine einschränkungslose Prüfpflicht kommt lediglich in solchen Fällen in Betracht, in denen das konkrete Geschäftsmodell des Plattformbetreibers von der Rechtsordnung nicht mehr zu billigen ist ( BGHZ 173, 188 – jugendgefährdende Medien bei ebay). Dies kann z.B. der Fall sein, wenn massenhaft eine völlig anonyme Nutzung der jeweiligen Internet-Plattform zu rechtswidrigen Zwecken vom Betreiber ermöglicht wird (…).“
Weitere Details und Kommentare bei der Kollegin Denise Himburg.
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Sonntags-FAZ über Buskeismus-Forscher Rolf Schälike

Vor knapp zwei Jahren veröffentlichte ich bei Telepolis den Artikel „Der Gerichtsreporter und die Kammer des Schreckens“ ein Beitrag über Rolf Schälike, der die Ereignisse in der Hamburger Pressekammer in seinem Blog kundtut. In der heutigen Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung widmet sich fast eine ganze Seite dem Richter- und Anwaltsschreck, den sie als „Der einzige Zeuge“ betitelt.

Ich selbst kann über Schälike mangels gebotener journalistischer Distanz nicht mehr schreiben, denn ich hatte ihn letztes Jahr in einigen Medien-Angelegenheiten anwaltlich vertreten. Derlei Probleme hat Autor Birger Menke nicht:

„Schälikes Einsatz ist so bewundernswert wie sein aufklärerisches Motiv, sein Sachverstand dagegen eher zweifelhaft. Selbst unterlegene Anwälte erkennen in den Berichten gelegentlich den Fall nicht wieder, was oft ganz einfach daran liegt, dass Schälike in der Regel nur mitbekommt, was vor Gericht verhandelt wird – ohne Akteneinsicht.“

Lassen wir das mal so stehen.

Der Artikel bringt wenig Neues, läßt aber vieles wie die „Stolpe-Entscheidung“ aus.

Auch schreibt die Sonntags-FAZ die Spottbezeichnung „Kammer des Schreckens“ dem FOCUS zu – der sie sich bei mir entliehen hatte. Hm. Sollte ich vielleicht die FAZ verklagen …? ;-)

„Durchgeknallt“ muss keine strafrelevante Beleidigung sein

Es bedurfte mal wieder den Gang vor das Bundesverfassungsgericht, um unsere „im Namen des Volkes“ urteilenden Spruchkörper daran zu erinnern, dass es im Grundgesetz eine garantierte Meinungsfreiheit gibt. Wenn jemand einen Generalstaatsanwalt als „durchgeknallt“ bezeichnet, muss diese Äußerung jeweils im Kontext geprüft werden, um zu entscheiden, ob sie vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt ist oder lediglich eine Beleidigung darstellt.

„Im Kontext auslegen“? Nun ja, das hat man in Karlsruhe oft verlangt. Es soll aber in Hamburg ein durchgeknalltes Gericht geben, das den Kontext ganz gerne mal im Urteil gänzlich unterschlägt. Insbesondere Links scheinen dort kein Kontext zu sein, der entsprechende Entlastung bringen könnte, „da ja nicht jeder Leser den Link anklickt“.

Vorsicht: Wenn sich hinter einem Link Schändliches verbirgt, dann wird sehr wohl zugerechnet.

25. Juni 2009

Prof. Hoeren: „Wir haben es mit bestochenen Abgeordneten und mit bestochenen Gutachtern zu tun…“

1996 bin ich Prof. Hoeren das erste mal begegnet. Mit seinem späteren Institutspartner Prof. Holznagel hatte er damals an der Uni Münster eine sehr weitsichtige Podiumsdiskussion zur Freiheit im Internet und den sich abzeichnenden Problemen organisiert. Auch der Strafrechtler Prof. Welp war dabei. War damals Internet noch eher eine Domäne von NERDs und Studenten, haben sich die damaligen Visionen erfüllt – auch hinsichtlich des Konfliktpotentials.

Hoeren war schon immer ein Freund deutlicher Worte und provoziert ganz gerne mal. Vielleicht verstehen wir uns ja deshalb so gut! Die Äußerung, die er jetzt allerdings beim Medienforum in Köln vom Stapel gelassen hat, hätte selbst ich mich nicht getraut:

„Wir haben es mit bestochenen Abgeordneten und mit bestochenen
Gutachtern zu tun…“

Damit meine Freunde in Hamburg nicht nervös werden, möchte ich mich von dieser Äußerung, die gemäß der Stolpe-Entscheidung als „Tatsachenbehauptung“ auszulegen und damit vom Äußernden zu beweisen ist, natürlich in aller Form distanzieren. Aber wenn Hoeren – übrigens Richter im Nebenamt am „EDV-Senat“ des OLG Düsseldorf – vor irgendwelche Pressekammern gebeten wird, würde ich ihn natürlich vertreten …

Hoeren bekam in Köln Widerworte von seinem Kollegen Ladeur, der einen „nomadisierendem Individualismus“ geißelte. Ladeur wirkt übrigens in der Freihen und Hansestadt Hamburg, wo man Individualisten und Freiheiten anscheinend nicht ganz so zu schätzen weiß wie andernorts.

UPDATE:

Hoeren hat inzwischen in seinem Blog nachgelegt und seine Kritik auf den abgebrochenen Jura-Student Elmar Brok konkretisiert, der im Verdacht steht, Lobbyist von Bertelsmann zu sein – um es mal höflich auszudrücken. Gut, dass Hoeren ihn nicht „alter Bertelsmann“ genannt hat … ;-)

Boykott: Das Recht ist mit den Wachen …

… Also mit denen, die wachsam sind.

Wer eine einstweilige Verfügung beantragen will, muss halt in die Gänge kommen, sonst fehlt es an der insoweit erforderlichen „Eilbedürftigkeit“. So lag es im aktuellen Fall, als Contergan-Geschädigte 2007 zum Boykott einer Firma aufriefen, die erst 2009 auf die Idee kam, sich juristisch zu wehren.

Die beantragte einstweilige Verfügung hatte die Firma zwar vom Landgericht Köln bekommen, doch das ist kein Kunststück: Eine einstweilige Verfügung wird im Regelfall allein aufgrund des Vortrags des Antragstellers erlassen, der Anspruchsgegner wird gar nicht angehört und erfährt von dem Verfahren erst, wenn ihm die erlassene Verfügung zugestellt wird. Da darf dann der Antragsteller lügen und auslassen, wie es ihm beliebt. Und hier will man erst 2009 etwas von dem Boykott bemerkt haben …

Hier haben sich die Gegängelten gewehrt, das Landgericht Köln musste die eV aufheben. Triviale Sache. Keineswegs handelt es sich um eine „historische Entscheidung“, wie der Antragsgegner meint. In der Sache wurde ja nichts entschieden.

Boykottaufrufe bleiben weiterhin problematisch. Unzulässig sind sie vor allem dann, wenn die Parteien in einem Wettbewerbsverhältnis zueinander stehen. Ideologisch begründete Boykottaufrufe wie der vorliegende hingegen haben vor Gericht gewisse Chancen.

24. Juni 2009

Rheinland-Pfalz: Finanzminister Ingolf Deubel mag die Presse nicht leiden

Was man zur Zeit über die Freunde des Nürburgrings lesen muss, gibt zu denken. Daher schreibe man besser nichts zu dem Thema, wenn man keine Hausdurchsuchungen zu schätzen weiss.

23. Juni 2009

BGH: Lehrer-Bewertung ist vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt – auch anonym

Heute hat der BGH eine wichtige Entscheidung in Sachen Abwägung Meinungsfreiheit einerseits gegen Persönlichkeitsrecht bzw Datenschutz (sic!) andererseits getroffen.

Die Einzelheiten sind bei SPIEGEL online brauchbar zusammengefasst, hier ein Kommentar von SZ-Chef (und Ex-Richter) Heribert Prantl.

Bereits die unteren Instanzen – sogar die der Sachkenntnis bzgl. Internet ansich unverdächtige Pressekammer Köln – hatten hier keinen Zensurbedarf gesehen.

Angesichts des Totalversagens gewisser norddeutscher Pressekammern und des Totalausfalls des Gesetzgebers hat wenigstens Karlsruhe nicht vergessen, dass es mal so etwas wie Meinungsfreiheit gab. Wie die lernunwilligen Lehrrer ankündigten, will man das Bundesverfassungsgericht anrufen. Gute Idee: Dann bekommt die frohe Botschaft eben noch mehr Gewicht!

Fliegender Gerichtsstand bleibt – Kommunikationskultur verfliegt.

Richter Buske und der Hamburger Fremdenverkehrsverein dürfen sich freuen: Auch weiterhin werden Teilnehmer am Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit nach Hamburg pilgern müssen, wenn sie von selbigem Gebrauch machen. Der hier im Blog und anderswo regelmäßig kritisierte „fliegende Gerichtsstand“ wird bleiben, und auch die von vom Landgericht Hamburg augestellten „Regeln“ zur Verantwortlichkeit von Inhalten Dritter User (Foren, Blogs, Wikis), welche in der Rechtswissenschaft fast einhellig als weltfremd abgelehnt werden, werden weiterhin Rechtspraxis bleiben.

Die FDP-Fraktion hatte in Übereinstimmung mit den Branchenverbänden Änderungen gefordert. Doch die Damen und Herren Politiker, die das Internet nur aus der Zeitung kennen, waren gerade zu beschäftigt mit anderer Lobby-Arbeit. Jedenfalls wurde der Gesetzenturf letzte Woche abgelehnt – an dem Tag, als die Internetsperren beschlossen wurden.

Meinungsfreiheit und Zugang zu Informationen wird sowohl mit den Mitteln des öffentlichen als auch mit den Mitteln des Privatrechts erschwert und zum finanziell unkalkulierbaren Risiko gemacht. Wir nähern uns in großen Schritten wieder Orwellschen Informationsmonopolen, wie wir sie in den 80er Jahren hatten.